Über Boxen
werden – Frauen als schmückendes Beiwerk –, denn einen natürlichen Platz haben sie in diesem Schauspiel nirgends. Die Nummerngirls in ihren Badeanzügen und hochhackigen Schuhen, Glamourgirls, die aus den Fünfzigerjahren stammen könnten, komplettieren die Boxer in ihren Shorts und Turnschuhen, aber sie sind nicht ernst zu nehmen: Ihr öffentliches Sich-zur-Schau-Stellen ist ungefährlich und rein dekorativ. Boxen ist etwas für Männer, es handelt von Männern, es ist männlich. Die Feier einer verloren gegangenen Religion der Männlichkeit, die einem umso mehr ins Herz schneidet, als sie unwiederbringlich ist.
In dieser Welt ist Männlichkeit durch eine gewisse Art von Stärke definiert – die natürlich mit Intelligenz und unermüdlich trainiertem Können gepaart sein muss. Genau wie ein Boxer sein Körper ist, besteht die Männlichkeit des Mannes im Gebrauch seines Körpers, aber auch im Triumph über den Körper eines anderen Mannes. Der Gegner ist immer ein Mann, der Gegner ist der Rivale der eigenen Männlichkeit, die man nur so vollkommen und kampfbereit erfährt. Sugar Ray Leonard, der sich bereits zur Ruhe gesetzt hat, spricht davon, noch einmal gegen einen bestimmten Mann anzutreten, gegen Marvin Hagler: «Ich will Hagler. Ich brauche diesen Mann.» Thomas Hearns, der von Hagler entscheidend geschlagen wurde, sagt, dass er von ihm besessen war: «Ich brauche den Rückkampf unbedingt … es vergeht keine Minute, keine Stunde am Tag, in der ich nicht daran denke.» Daher also der charakteristische weibliche Widerwille gegen das Boxen an sich, der sich mit einem intensiven Interesse und der Neugier verbindet, was Männer daran so fasziniert. Männer, die Männer bekämpfen, um sich ihren Wert (das heißt ihre Männlichkeit) zu bestätigen, grenzen Frauen so vollständig aus, wie die weibliche Erfahrung des Gebärens Männer ausschließt. Gibt es vielleicht einen Zusammenhang?
Auf jeden Fall hält man unverstellte Aggressivität für typisch männlich, das hegende Element für typisch weiblich. (Eine Frau, die boxt, passt nicht in dieses Stereotyp und kann nicht ernst genommen werden – sie ist eine Parodie, ein Witz, sie ist monströs. Stünde sie für eine Ideologie, wäre es die des Feminismus.) Der Psychologe Erik Erikson 32 entdeckte, dass kleine Mädchen, die mit Bauklötzen spielen, im Allgemeinen hübsche Innenräume und attraktive Eingänge bauen, während kleine Jungen dazu neigen, die Klötze so hoch aufeinanderzutürmen, wie sie nur können, und dann zuzuschauen, wie der Turm zusammenstürzt: «Die Kontemplation von Ruinen» ist, laut Erikson, «eine spezifisch männliche Eigenart». Ein großer Boxkampf kann noch so viel mitreißende Grazie und Schönheit entfalten, es ist doch das Finale, die Katastrophe, auf die jeder Zuschauer wartet, auf die er hofft: das spektakuläre Zusammenstürzen der Klötze, die so hoch aufgetürmt wurden, wie es nur irgend ging. Frauen identifizieren sich, wenn sie einem Boxkampf zuschauen, mit großer Wahrscheinlichkeit mit dem Verlierer, dem Verletzten, Männer mit dem Sieger. Männliche Zuschauer können sich ab einem gewissen Punkt auch mit dem Kampf selbst identifizieren. Man könnte sagen, dass sie ihn dann als eine Art abstrakte platonische Erfahrung erleben, in der die Einzelheiten unwichtig werden. Männer, die bis zu einem bestimmten Punkt einen Boxer favorisiert haben, der nun aber drauf und dran ist zu verlieren, wenden ihre Loyalität dem Sieger zu – vielleicht wendet diese «Loyalität» sich von selbst dem Sieger zu, unwillkürlich und unbewusst. Damit erweisen sie dem Kampf als solchem eine Art rituelle Ehrerbietung, bestätigen, wie eh und je, den hohen Stellenwert des Wettbewerbs.
Die Sprache des Boxens verstärkt den Eindruck, dass es sich in einer patriarchalischen Welt abspielt, in der Adoleszenten den Ton angeben. Es ist eine junge Welt, die sich nur um die Jugend dreht. Zentral ist natürlich der Macho – Machismozeigt sich hier ohne jegliches parodistische Element. Die klaustrophobische Welt des professionellen Boxens, selbst wenn man sie nur als Zuschauer betritt, erscheint wie das Destillat der männlichen Welt: Frauen haben darin keinen Platz, und Fantasien, Hoffnungen und Listen wachsen wie in einem Zerrspiegel oder in einem Traum ins Riesenhafte.
In dieser Welt stehen wir wie vor einem Spiegel. Werte sind in ihr Gegenteil verkehrt, umgedreht. Ein Boxer wird nicht seiner Menschlichkeit wegen geschätzt, sondern seiner
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