Über Boxen
Killerqualitäten wegen, dafür, dass er «rücksichtslos» ist, ein «Schläger», ein «Tier», dafür, dass er «unbezähmbar», «erbarmungslos» und «zerstörerisch» ist, «wild», «gemein» und «mörderisch». Der Gegner wird nicht wie in anderen Sportarten einfach besiegt, sondern «überrollt», «kaltgemacht», «gelähmt», «bestraft», «niedergemäht», «zerstört», «vernichtet». Sogar die alten Boxberichterstatter einer so respektablen Zeitschrift wie «The Ring» behandeln einen Boxer, der besiegt wurde, ohne jegliches Erbarmen. Die große Anziehungskraft Roberto Duráns – und zwar nicht nur für Zuschauer, von denen man nichts anderes erwarten kann, sondern auch für intellektuelle Boxfanatiker – bestand darin, dass es so aussah, als wolle er seinen Gegner wirklich töten. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere war er der «Mörder mit dem Babyface», mit den «toten Augen», dem «leeren» Gesicht, der einmal sagte, als er einen Gegner namens Ray Lampkin zu Boden geschlagen hatte, dass er vor diesem Kampf nicht einmal trainiert habe und dass er den Mann beim nächsten Mal töten werde. (Es geht das Gerücht, dass Durán einmal mit einem einzigen Schlag ein Pferd zu Boden streckte.) Sonny Liston war ebenfalls einer der Champions, die ihrer Gefährlichkeit wegen berühmt wurden – von Floyd Patterson unterschied er sich so radikal, dass er einer anderen Spezies anzugehören schien. Betrachtet man Aufnahmen ihrer Kämpfe aus den frühen Sechzigerjahren und beobachtet, wie Liston Patterson besiegt, hat man den Eindruck, man sei Zeuge, wie die menschliche «Zivilisation» durch eine so elementare und primitive Macht besiegt wird, dass es jeder Beschreibung spottet. Hier definiert sich Männlichkeit als strikteste Hierarchie – zwei Männer können nicht zur gleichen Zeit denselben Platz einnehmen.
Zurzeit wird der zweiundzwanzigjährige Mike Tyson, Cus D’Amatos viel gerühmter Protegé, als gefährlichster Mann im Schwergewicht lanciert. Man spricht mit Ehrfurcht von ihm als dem «jungen Bullen»; seine Kraft, seine Aggressivität und Schläue sind erstaunlich, zumindest im Vergleich mit seinen bisherigen glücklosen, unbeweglichen Gegnern. Er betritt die Arena ausnahmslos ohne Bademantel – «So fühle ich mich mehr als Krieger» –, schweißglänzend. Er trägt nicht einmal Socken. Sein Vorbild ist nicht Muhammad Ali, der begnadetste Schwergewichtschampion aller Zeiten, sondern der schwerfällige, ungelenke und unbezwingbare Rocky Marciano, der Mann mit der ungeheuren Schlagkraft im rechten Arm, der bereit war, fünf Schläge einzustecken, wenn er dafür einen Treffer landen konnte. Nachdem Tyson vor Kurzem Jesse Ferguson in einem Kampf das Nasenbein gebrochen hatte, erklärte er den Reportern, es sei seine Strategie gewesen, dem Gegner das Nasenbein ins Gehirn zu treiben …
Allein die Namen von Boxern! Machismo in seiner poetischsten Form.
Zwar gab es «Gentleman Jim» Corbett (Weltmeister im Schwergewicht von 1892 bis 1897) und den ersten schwarzen Schwergewichtschampion, Jack Johnson (1908 bis 1915), der sich «Li’l Arthur» nannte, ein spielerisch-selbstironischer Name, wenn man seine mächtige Gestalt und seinen wilden Kampfstil bedenkt. (Johnson war der Albtraum des weißen Mannes, ein Schwarzer, der sich über seinen weißen Gegner lustig machte, während er ihn mit seinen Schlägen demütigte.) Aber Namen dieser Art gehören einer anderen Ära an. In neuerer Zeit gibt es zwar noch «Sugar Ray» Robinson und seinen jüngeren Namensvetter «Sugar Ray» Leonard. Und Tyrone Crawley, ein «intellektueller» Boxer, der sich «The Butterfly» nennt. Aber meist wählen die Boxer heutzutage einen Ringnamen, der etwas Gefährliches suggeriert: Jack Dempsey aus Manassa, Colorado, war «The Manassa Mauler»; der eindrucksvolle Harry Greb war «The Human Windmill»; Joe Louis war, natürlich, «The Brown Bomber»; Rocky Marciano «The Brockton Blockbuster»; Jake LaMotta «The Bronx Bull»; Tommy «Hurricane» Jackson; Roberto Durán «Hands of Stone» oder auch «The Little Killer». Neuere Namen sind Ray «Boom Boom» Mancini, Thomas «Hit-Man» Hearns, James «Hard Rock» Green, Al «Earthquake» Carter, Frank «The Animal» Fletcher, Donald «The Cobra» Curry, Aaron «The Hawk» Pryor, «Terrible» Tim Witherspoon, James «Bonecrusher» Smith, Johnny «Bump City» Bumphus, Lonnie «Lightning» Smith, Barry «The Clones Cyclone» McGuigan, Gene «Mad Dog» Hatcher, Livingstone
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