Über das Haben
Gelehrten zu berichten, der von Venedig aus die Kunst der Buchführung maßgeblich formuliert und damit für ganz Europa normiert hat. Das ist der aus Sansepolcro in der Toskana stammende Franziskanermönch Luca Pacioli (1445–1514), der sich an verschiedenen Orten Italiens vor allem als Mathematiker einen Namen gemacht hat.[ 2 ] Mit dem etwas jüngeren Leonardo da Vinci war er in Mailand väterlich befreundet und hat mit ihm allerhand wissenschaftliche und künstlerische Anregungen getauscht.
Das Hauptwerk des gelehrten Mönchs ist seine italienisch geschriebene, aber in einer Art Latein titulierte «
Summa de arithmetica, geometria, proportioni et proportionalita»
(Venedig 1494). Integraler Bestandteil dieses wissenschaftlichen Werkes, sozusagen als praktische Arithmetik, ist die Buchführung, lateinisch tituliert als «
Particularis de computis et scripturis»
, wie sie alsbald als «venezianische Methode» ihren Weg durch die europäischen Kontore gemacht hat.
Nach Deutschland gelangte die doppelte Buchführung zunächst über den Erfahrungsaustausch in der Praxis, um dessentwillen schon um 1500 viele Jungkaufleute aus Süddeutschland zum Studium nach Venedig reisten. Die dazu gehörige Fachsprache wurde seit 1518 auch auf Deutsch ausgebildet. Eine vollständige Fassung der Buchführungslehre von Luca Pacioli erschien allerdings erst in einer Übersetzung von Balduin Penndorf im Jahr 1933.
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Was ist nun der Punkt (oder der Doppelpunkt) der neuen Buchführung nach Pacioli, und wodurch unterscheidet sich diese Buchführung nach SOLL und HABEN von der einfachen Abrechnung nach Gewinn und Verlust? Die letztere erscheint ja auf den ersten Blick ganz plausibel, da sie genau weiß oder zu wissen meint, was für das betreffende Geschäft jeweils gut oder schlecht ist. Die doppelte Buchführung hingegen stellt die Frage der Bewertung eine Zeitlang zurück und konzentriert sich zuerst auf die vergleichende Betrachtung zweier Kontobewegungen. Die eine dieser beiden Bewegungen, SOLL genannt und in der linken Spalte verbucht, ist eine Her-Bewegung. Sie geht «von» einem Schuldner (
debitor
) aus. Die andere, HABEN genannt, ist eine Hin-Bewegung. Sie geht «an» einen Gläubiger (
creditor
). Die beiden Kontobewegungen können daher auch als zwei Modalitäten des HABENS ausbuchstabiert werden. In den Hauptbüchern der Kaufleute ist diese Bewegung immer von links nach rechts gerichtet. Das entspricht der Verlaufsrichtung, wie sie in Europa für die lateinische Schrift Norm und Gewohnheit ist.
Erst wenn die Beachtung dieser Regularien gesichert ist, wenn also jede Kontobewegung doppelt verbucht und somit keine Buchung ohne Gegenbuchung geblieben ist, kann die Frage aufgeworfen werden, ob das SOLL und das HABEN bei einem bilanzierenden Vergleich der beiden Spalten des Hauptbuches tatsächlich, wie es die goldene Geschäftsregel für die doppelte Buchführung verlangt,
per saldo
den gleichen Wert ergibt. Wenn diese Bilanz stimmt, hat der Geschäftsmann gut gewirtschaftet.
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Seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ist die doppelte Buchführung (
double-entry accounting system
) auch in England eingeführt. Es versteht sich von daher, dass ein Autor wie Daniel Defoe, der als Ökonom und Journalist sein Leben lang über Probleme der Wirtschaft und Gesellschaft nachgedacht und geschrieben hat, auch mit der Kunst der Buchführung vertraut war. Für die Nachwelt ist er jedoch vor allem als Verfasser des «
Robinson Crusoe
» (1719) im Gedächtnis geblieben. Dochspielt in dieser Abenteuergeschichte auch die Kunst der Buchführung eine maßgebliche Rolle.[ 3 ]
Von Abenteuerlust getrieben, hat sich der junge Robinson Crusoe, anstatt wie sein Vater in England ein bürgerliches Leben als solider Geschäftsmann zu führen, mehrfach nach Übersee gewagt. Bei einer dieser Seereisen geschieht es, dass ein Sturm sein Schiff an der Felsenküste einer tropischen Insel zerschellen lässt. Als einziger Überlebender kann Robinson sich aus dem Schiffbruch retten und findet sich als verlorener Bewohner einer einsamen Insel wieder.
Schon die erste Bestandaufnahme seiner «schrecklichen Errettung» (
dreadful deliverance
) ist für ihn entmutigend: «Ich HATTE nichts bei mir (
I HAD nothing
) außer Messer, Pfeife und Tabak». Zum Glück im Unglück ist aber das Wrack seines Schiffes noch nicht ganz gesunken. So HAT er noch die Zeit, sich auf einer kleinen Expedition zu diesem Wrack mit dem Nötigsten zu versorgen. Allerhand Werkzeuge und Waffen
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