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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Richter
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viel Geld man da eben schon wieder hingelegt hat. Das ist der tückische Moment, in dem die Gesamtlage einem vorgaukelt, daß es geradezu ein Akt der Vernunft sei, jetzt lieber noch das eigene Auto heimzufahren, statt sich ein teures Taxi zu nehmen, wenn denn überhaupt mal eins kommt.
    Es kommt also alles darauf an, in diesem Moment, in dem Moment, in dem man nach den Autoschlüsseln
tastet, kurz innezuhalten und zu sagen: Langweilig! Es kommt darauf an, daß man es für eine viel verwegenere Idee hält, jetzt mit einem Taxifahrer seine Späße zu treiben.
    Und wissen Sie, was das Beste daran ist?
    Daß Sie am folgenden Morgen feststellen müssen, daß Ihr Auto nicht vor Ihrer Tür steht, sondern immer noch vor dem Lokal, wo Sie gestern so versackt sind. Halten Sie das bitte nicht für ein Ärgernis! Es ist das Gegenteil davon. Es ist Ihre Rettung. Denn so betrunken, wie Sie gestern abend waren, sind Sie noch bis zum Nachmittag voll mit Restalkohol. Wenn Sie jetzt zur Arbeit fahren würden, wäre es genau die Trunkenheitsfahrt, die Sie gestern so glücklich vermieden haben. Und die Wahrscheinlichkeit, angetrunken ein Kind zu überfahren, ist tagsüber sogar noch ein bißchen größer als nachts; es sind dann schlicht mehr davon unterwegs. Steigen Sie also in den Bus, machen Sie noch einen Taxifahrer glücklich, oder laufen Sie! Und murren Sie nicht! Das alles gehört noch zur Feier dazu. Es ist die Verlängerung des Ausnahmezustandes. Das ist der Preis für den Exzeß; und nur was teuer ist, ist einem auch lieb.
     
    Schwachstelle an dieser Argumentation: Man muß es sich schon mit Macht einreden, daß es angenehmer ist, mit dem Taxi heimzufahren.
    Das liegt aber auch an zu wenig Taxis, an Taxiunternehmen,
die einem groteske Kleinwagen schicken, wo sich die müden Glieder auf eine Mercedeslimousine freuen, es liegt an zu langen Wartezeiten, und es liegt an Fahrern, die es im Umgang mit Betrunkenen an der notwendigen Geduld und Gelassenheit fehlen lassen.
    Diese Fähigkeiten sind allerdings in allen gesellschaftlichen Bereichen zu wenig ausgeprägt. Betrunkenen wird generell viel zu wenig Verständnis entgegengebracht. Wer die Gesellschaft von anderen Betrunkenen verläßt und zwischen Nüchterne gerät, dem wird seine Betrunkenheit leider im Allgemeinen als etwas zu Bewußtsein gebracht, wofür er sich was schämen sollte. Die Folge ist, daß sich der Betrunkene seiner Betrunkenheit tatsächlich schämt und Anstrengungen unternimmt, sie sich zumindest nicht anmerken zu lassen. Er versucht, sich nichtbetrunken zu benehmen. Am Ende fährt er dann eben Auto und gefährdet seine Mitmenschen.
    Es wäre deshalb schon im eigenen Interesse dieser Mitmenschen, betrunkenes Benehmen nicht nur zu dulden, sondern gutzuheißen und zu fördern. Wirte sollten scheidenden Gästen ihre letzten Getränke in Pappbecher umfüllen und für den Heimweg mitgeben, bevor sie ihnen mit Nachdruck ein Taxi rufen. So etwas habe ich in Madrid einmal gesehen, als der Barmann schließen wollte und die Gäste ihre Gläser nicht rechtzeitig leerbekamen. Der Effekt ist frappierend: Man steht dann nicht unvermittelt in der frischen Luft vor seinem Auto, während
der unter Zeitdruck heruntergekippte letzte Cocktail gerade im Blut ankommt und dem Gehirn die Losung »Du kannst noch, los geht’s« ausrichtet. Sondern man hat dann seinen Drink noch in der Hand, während man schon auf der Straße steht; und mit einem Drink in der Hand ist die Hemmschwelle das Auto aufzuschließen, jedenfalls bei nicht ganz hoffnungslosen Fällen, schon einmal entschieden größer.
    Taxifahrer sollten dementsprechend Getränkehalter einbauen und für den Notfall Speitüten bereithalten. Vielleicht täte auch eine Weiterbildung bei Kindergärtnerinnen und Altenpflegern dem Berufsstand gut. Oder wenigstens eine Verinnerlichung des Begriffes Dienstleistung.
    Beispielhafter sind da die Polizeibeamten, die man während des Münchner Oktoberfestes oder des Kölner Karnevals geduldig die Sicherheit der Berauschten gewährleisten sieht.
    Es geht um einen gesellschaftlichen Vertrag, den die Nüchternen und die Trunkenen schließen müssen. Die Nüchternen seien die Diener der Trunkenen. Denn die Nüchternen sind immer nur Trunkene auf Abruf; und was sie Gutes an ihnen wirken, das tun sie letztlich auch für sich selbst.

V. Muß die Jugend immer so viel trinken?

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