Über das Trinken
sind es naturgemäß eher die Maler als die strengen Konzeptualisten. Wie es in Theaterkantinen zugeht, riecht man manchmal noch in der letzten Reihe des Zuschauerraums. Und daß in den Whiskeygläsern von Frank Sinatra, Dean Martin und dem Rest des Rat Pack manchmal auch einfach nur Apfelsaft gewesen sein soll: Das war selbst in Hollywood für manchen eine Überraschung.
Aber nirgends wurde so exzessiv, so selbstzerstörerisch und so massenhaft getrunken wie unter den Schriftstel-lern – vor allem den amerikanischen.
»Alkoholismus tritt in verschiedenen sozialen Gruppen unterschiedlich stark auf«, schreibt dazu Donald W.
Goodman in »Alcohol and the writer« (deutsche Ausgabe »Alkohol & Autor«): »Männer neigen mehr zu Alkoholismus als Frauen, Iren mehr als Juden, Barkeeper mehr als Bischöfe. Die Gruppierung mit dem höchsten Prozentsatz an Alkoholikern bilden indessen die berühmten amerikanischen Schriftsteller.«
Was amerikanische Träger des Literaturnobelpreises angehe, so betrage deren Alkoholikeranteil über siebzig Prozent.
»Der erste war Sinclair Lewis – ein starker Alkoholiker. Dann kam Eugene O’Neill – ein starker Alkoholiker. Sodann Pearl S. Buck, die kaum trank.… Es folgte William Faulkner – ein starker Alkoholiker. Dann Ernest Hemingway – ein Alkoholiker auch er (›Trinken ist eine Art und Weise, den Tag ausklingen zu lassen.‹) Der nächste ist John Steinbeck – gewissen Zeugnissen zufolge ein ›beidhändiger‹ Trinker, anderen zufolge einfach ein Alkoholiker.« Und hier ist Goodmans Auflistung noch lange nicht zu Ende.
Woran liegt das?
Eine These besagt, daß die großen amerikanischen Schriftsteller tranken, um mit ihren Figuren mithalten zu können. Und eine andere sagt: Sie waren als Schriftsteller zum Trinken verdammt, weil es in ihrem Land so verboten war.
XI. Ist eine Prohibition die Lösung – um die Trinkkultur zu heben?
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Nick Charles lehnt in einem Speakeasy in der Zweiundfünfzigsten Straße an der Bar und wartet darauf, daß Nora mit ihren Weihnachtseinkäufen fertig würde. Wieviel er zu diesem Zeitpunkt schon getrunken hat, wissen wir nicht. Seinem Charakter (aber auch dem seiner Frau und ihrer Weihnachtseinkäufe) wird man aber nur dann gerecht, wenn man einmal davon ausgeht, daß es schon nicht unter zwei Drinks gewesen sein werden, jeweils großzügig eingeschenkt, also eher doppelte.
Die Tochter eines alten Bekannten spricht ihn an, er fragt, was sie trinken will, sie sagt: Scotch mit Soda, und er bestellt zwei. Sie reden über Nicks Bekannten, den Vater des Mädchens, da kommt Nora mit dem Hund und den Einkaufstüten. Ob sie auch etwas trinkt, wird nicht gesagt, es ist aber wahrscheinlich. Am Ende werden die beiden von dem Mädchen eingeladen, gelegentlich mal
»zum Cocktail« vorbeizukommen. Was danach noch alles passiert, an diesem Abend, das spart Dashiell Hammett aus, in seinem 1934 erschienenen Kriminalroman »Der dünne Mann«.
Aber daß Nick Charles am nächsten Morgen um halb zwölf einen mörderischen Kater hat, das teilt Hammett ausführlich mit. Und daß sich Nick deshalb vor dem Duschen erst einmal einen Schluck genehmigt. Und nach dem Duschen noch einen. Anschließend fühlt er sich »schon wohler« und kann an die Arbeit gehen. Ein Gast kommt ihm nämlich mit einem verworrenen Problem. »Die vollgeschenkten Gläser in der Hand«, wendet sich der berühmte Detektiv dem Fall zu. Abends gehen sie dann ins Theater und danach noch zu einer Gesellschaft bei Leuten, an deren Namen er sich am nächsten Morgen schon nicht mehr erinnern kann, denn er ist wieder »ziemlich angeschlagen«. Nora stellt ihm Fragen zu dem Fall, den er lösen soll. Er fragt: »Wollen wir nicht irgendwas Flüssiges einnehmen gegen den Kater?«. Nachmittags geht er mit dem Hund eine Runde, »kippt unterwegs in Jims Bar ein paar Gläschen« und findet bei seiner Rückkehr Gäste vor. Nora schenkt ihnen gerade Cocktails ein. Er bekommt natürlich auch einen. Dann ist sein Glas alle. Er schenkt sich selber nach. Und als Nora in dieser Nacht, es ist die Weihnachtsnacht, nicht schlafen kann, da küßt er sie und fragt fürsorglich: »Meinst du
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