Über das Trinken
nicht, ein Schluck könnte dir helfen einzuschlafen?«.
»Nein danke.«
»Aber mir vielleicht.«
Es gibt Scotch mit Soda. Nora probiert davon.
»Vielleicht würde mir so ein Cocktail doch helfen.«
Und so geht das bis zum Ende weiter.
Dashiell Hammett läßt seine Figuren auf keiner Seite auch nur ansatzweise ausnüchtern. Es läßt sich leider nicht exakt errechnen, weil er schon mit einem gewissen Spiegel ins Buch hineingeht, aber man kann sicher sagen: Detektiv Nick Charles hält sich die gesamte Handlung über konstant auf einem Alkoholpegel von über einem Promille. Dieses eine Promille fügt seinem Blut offensichtlich erst den Esprit hinzu, den es braucht, um den verworrenen Fall schließlich zu lösen; und, wer weiß, vielleicht ist dieses eine Promille auch gleichbedeutend mit dem sogenannten Etwas, das die Frauen an seinen Lippen hängen läßt und die Männer eifersüchtig macht. Denn der Kriminalfall als solcher ist sicher nicht der Grund, warum das Buch bis heute so berühmt und beliebt ist. Die eigentliche Handlung besteht aus etwas anderem, die eigentliche Handlung besteht, wie im klassischen platonischen Symposium, aus der Trias: Trinken, Reden, noch mehr Trinken. Die Wendungen des Falls sind um ein stabiles Skelett gewickelt, und das besteht aus Formulierungen wie »Ich trank meinen Cocktail aus«, jemand erhebt sich, »ein Glas in der Hand«, aus einem Stuhl, und, häufigster Satz des Romans, sozusagen
sein Schicksalsmotiv voll vorwärtsdrängendem Pathos: »Mein Glas war leer.«
Die grund- und vorsätzliche Angesoffenheit, der Dauer-Schwips, die leichte Schlagseite – das ist das, wovon auch die Verfilmung lebt, die ein dermaßen großer Erfolg für Hollywood wurde, daß eine Fortsetzung nach der anderen dazukam: Am Ende brachte es »The Thin Man« auf sechs Filme, und jeder einzelne war eine einzige Feier des Alkohols. Das leichte Torkeln als elegantere Gangart, das angeschickerte Sprechen und das Schlingern im Denken – das waren hier gewissermaßen die Voraussetzungen, um die Verwicklungen des Plots überhaupt zu überblicken, denn um Verworrenes zu überblicken, ist es nötig, sich zunächst einmal selbst wirr zu machen.
Es ist allerdings vielleicht auch gar kein Wunder, daß diese Filme und dieses Buch so erfolgreich waren in den Dreißigerjahren: Erst am 23. März 1933 hatte Präsident Franklin D. Roosevelt das 18. Amendment der amerikanischen Verfassung aufgehoben und anschließend verkündet, daß es jetzt Zeit für ein Bier wäre. Das klang natürlich zunächst einmal nach einem Understatement von eher britischer Bauart: Was Roosevelt da getan hatte, war immerhin nichts anderes als die Aufhebung der Prohibition, die 1919 über die Vereinigten Staaten verhängt worden war, um der Trunksucht und ihren Folgen Einhalt zu gebieten. Ab jetzt durfte der Alkohol wieder fließen.
Womöglich rührte die Lakonie in der Äußerung des Präsidenten aber auch daher, daß er, der Alkohol, mit dem Fließen faktisch nie aufgehört hatte. Eher im Gegenteil: Es war, als hätte Roosevelt feierlich einen Hahn aufgedreht, während um ihn herum die Brühe längst durch die Wand geschossen kam.
Das Bier, das Roosevelt sich und damit seinem ganzen Land da genehmigte, war eigentlich das Gegenteil von dem, wonach es aussah – keine Freigabe des Exzesses, sondern eine Maßnahme zur Mäßigung: So ein Bier war immer noch gesünder als der Schnaps, von dem seine Landsleute während des Verbots doppelt soviel tranken wie vorher und nachher.
Prohibition ist Abstinenz für alle, und wie die Abstinenz beim einzelnen deutet auch eine Prohibition keinen unbedingt gesunden Zustand einer Gesellschaft an. Die eigentliche Pointe an Büchern und Filmen wie dem »Dünnen Mann« war ja, daß sie allesamt vor der Aufhebung der Prohibition spielen, als der Alkohol noch illegal war und damit doppelt soviel Spaß machte. Vielleicht ist in Amerika der Alkohol nie so entschlossen zelebriert worden wie in den Jahren, als er verboten war. Die rechtliche Lage lud dazu aber auch regelrecht ein: Verfolgt wurde nicht der Konsum, sondern der Handel. In kultureller Hinsicht kann man diejenigen, die das damals so eingerichtet hatten, nur beglückwünschen: Die Einführung der amerikanischen Prohibition hat Mythen
geschaffen, von denen Amerika und der Rest der Welt heute leben. Das ist nicht nur der Alkoholschmuggel, der damals Vermögen schuf und Karrieren in Gang setzte, die die Geschichte bestimmen sollten, die Kriminal-,
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