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Über das Trinken

Über das Trinken

Titel: Über das Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Richter
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Schmerzen sein.
    Und dreimal darf nun geraten werden, wie absolut genau das eintraf.
    Es gibt Leute, die sagen, daß Russen über die Jahrhunderte eine genetische Veranlagung ausgeprägt haben, die sie den Wodka anders wegstecken läßt als den Rest der Menschheit.
    Ich bin der Überzeugung: Alles ist Kultur und damit erlernbar. Man muß diese Herausforderung nur ernst genug nehmen.
     
    Die sogenannte Globalisierung macht aber auch vor dem Trinken nicht halt. Noch ist es so, daß nahezu jedes Land, jede Region seine eigene, ganz spezifische Trinkkultur hat. Nur man selbst ist jetzt viel häufiger unterwegs und bringt damit zwangsläufig die Dinge durcheinander. Zumindest für eine Übergangszeit sind damit peinliche Mißverständnisse geradezu programmiert,
und man sollte sich vielleicht anstandshalber zumindest theoretisch damit auseinandersetzen, wer wann was trinkt und wie und warum.
    Exotische Länder sind dabei noch das geringste Problem. Wer sich strikt an Flaschenbier hält, trinkt in jedem Fall das Gesündeste, was er vermutlich kriegen kann. Wer sich auf einheimische Schnäpse einläßt, ist hingegen selber schuld, wenn er am nächsten Morgen nicht mehr hochkommt. Aber wer trinken will, wird überall zu Trinken finden. Nicht einmal in den Arabischen Emiraten sollte es ernsthafte Probleme geben. Wer es ohne einen Drink dort nicht aushält, wofür es gute Gründe gibt, der nimmt den Fahrstuhl und setzt sich in die »Sky-Bar« eines der vielen Hotelhochhäuser. Da, wo man den Muezzinnen gewissermaßen von oben auf den Turban schauen kann, geht es zuverlässig rund. Man muß dann nur sehen, wie man mit den betrunkenen Britinnen fertigwird – und ich habe noch nie so dermaßen haltlos und lasziv herumkrakeelende Britinnen erlebt wie in Dubai. Nicht in London. Und noch nicht einmal in Berlin.
    Problematisch wird es viel eher in den naheliegenden Ländern, weil man es dort nicht unbedingt erwartet.
    Zum Beispiel Norwegen. Wir waren auf einer Pressereise da, es gab ein Dinner beim Lions Club von Oslo. Das Essen war vorzüglich, von dem enormen Wildlachs konnte man sogar Nachschlag bekommen, wenn man wollte. Nur als ein Kollege aus Süddeutschland zu
der Weinflasche griff, die in der Mitte des Tisches stand, und sich ein zweites kleines Glas Rotwein einschenken wollte: Da erstarben schlagartig sämtliche Gespräche. Entsetzte Blicke galten dem Ahnungslosen. Peinlich berührt wurde sich geräuspert. Sie hatten uns einen Flug in dieses auf Erdöl schwimmende Land spendiert, wir waren durch einen Flughafen gekommen, der mit edleren Materialien ausgestattet war als eine Villa auf Sylt, wir waren in einem Hotel untergebracht, das wir uns privat nie hätten leisten können  – vielleicht wären am Ende auch Rentierjagden in diamantbesetzten Hundeschlitten aus purem Platin drin gewesen.
    Aber ein ZWEITES Glas Rotwein: Das sprengte entschieden den Rahmen!
    Wußte der Kollege aus Süddeutschland eigentlich, WIE TEUER das war?
    Ich möchte den Norwegern im besonderen und den Skandinaviern im allgemeinen meine Hochachtung aussprechen zu ihrer Alkoholpolitik. Diese konsequente Verknappung und Verteuerung kommt mir vor wie eine diätetische Praxis zur Luststeigerung, wie ein Keuschheitsgelübde bis zur Hochzeitsnacht oder wie das, was die Katholiken in ihrer Fastenzeit haben und die Moslems in ihrem Ramadan: eine Enthaltsamkeitsübung, um es dann umso heftiger krachen zu lassen.
    Jeder, der schon einmal auf einer Ostseefähre war, weiß, was ich meine.

     
    Getränke und fremde Länder: Das ist ein unerschöpflicher Quell kultureller Mißverständnisse, die oft genug blutige Folgen haben. Am schlimmsten ist das natürlich in England, dem exotischsten Land der Erde, von dessen Sitten und Bräuchen niemand wirklich etwas weiß, weil niemand lange genug hinfährt.
    Auch ich war immer nur nach London geflogen, um draußen am Flughafen Geld aus dem Automaten zu ziehen, eine Fahrkarte in die City zu kaufen, gleich wieder Geld zu ziehen, in die City zu fahren, meinen Job zu erledigen, Geld zu ziehen, ein paar Museen zu besichtigen, schlecht zu essen, Geld zu ziehen, Geld zu ziehen, Geld zu ziehen, in Stehschränken zu übernachten, die sie einem als Hotelzimmer verkaufen, noch einmal Geld zu ziehen und wieder zurück zum Flughafen zu fahren. Gern wäre ich einmal für länger geblieben, eine Woche oder so, aber es fehlte irgendwie immer an dem Vermögen, das man dafür braucht. Oder, um ganz ehrlich zu sein, an der Lust, in den

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