Ueber Den Deister
Organisation sicherlich wohlgetan. Frau Bistorf-Kuntze trug einen Hosenanzug – das fand Marder schade, er war der altmodischen Ansicht, dass Frauen, auch wenn sie Karriere machten, in Kleidern besser aussahen als in den langweiligen Anzügen der Männer. Frau Bistorf-Kuntze wirkte selbstbewusst und konzentriert, nicht überheblich, eine junge Frau auf dem Weg zu einem Ziel, das ihr vielleicht noch nicht klar war.
Sie schaute Marder fragend an. Marder stellte sich vor und erklärte, er sei im Auftrag von Erich Falkenberg nach Holzminden gekommen, um sich mit Kommissar Volkert zu unterhalten. Sie wusste sofort, wer Erich Falkenberg war, und bat Marder, sich zu setzen.
»Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten?«, fragte sie.
»Ich dachte, Sie würden nie fragen. Da Sie selbst sicher auch einen trinken möchten, nehme ich gern ebenfalls einen.«
Der ehemalige Kommissar und die junge Kollegin schauten sich lächelnd an. Sie waren sich einig, dass sie sich sym pathisch waren. Die ersten zwanzig Sekunden entscheiden, ob man sich mag oder nicht, hatte Marder erst vor kurzem in einer halbwissenschaftlichen Zeitschrift gelesen. Frau Bistorf-Kuntze legte einen Filter in die Kaffeemaschine, füllte Kaffee hinein und drückte auf einen roten Knopf. Das Wasser fing an zu gurgeln, der heiße Dampf zwang seinen Weg durch das Kaffeemehl, und in wenigen Minuten schwebte der Duft von frisch gebrühtem Kaffee durch das Zimmer. Frau Bistorf-Kuntze füllte zwei große Tassen, stellte sie auf ein Tablett, daneben je ein Schälchen mit Milch und Zucker. Marder gefiel es im Büro der Kriminalpolizei in Holz minden.
»Sie möchten Kommissar Volkert sprechen. Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit?«
»Das möchte ich Herrn Volkert lieber persönlich sagen, es ist etwas, das nur ihn angeht. Der Kaffee ist köstlich. Brasil-mild, denke ich.«
Frau Bistorf-Kuntze schüttelte verneinend den Kopf.
»Also kein Brasil-mild.« Marder war enttäuscht, eigentlich war er in Bezug auf Kaffee ein Experte.
»Doch damit liegen Sie richtig. Aber Herrn Volkert können Sie nicht sprechen. Ich bedauere, er ist zurzeit nicht im Haus, und ich kann Ihnen leider nicht sagen, wann er wieder zurück sein wird.«
»Das verstehe ich nicht. Sie wissen nicht, wo Ihr Chef ist und wann er wieder im Büro sein wird?«
»Tja … also … die Sache ist so: Kommissar Volkert hätte gestern aus dem Urlaub zurückkommen sollen. Ist er aber nicht. Das ist eigentlich keine große Sache, er hatte schon vorher angekündigt, dass er eventuell einen Tag oder zwei dranhängen würde. Außerdem läuft es auch ohne ihn hier auf der Dienststelle ganz gut.«
Eigentlich meint sie, dass es besser ohne Volkert läuft als mit ihm, dachte Marder. Aber das kann sie natürlich nicht sagen – und ich auch nicht.
»Herr Volkert hat ein paar Überstunden angesammelt, die er ohnehin noch abbummeln muss. Deswegen habe ich mir nichts dabei gedacht, als er gestern nicht ins Büro gekommen ist.«
»Dennoch wundert es mich, dass er nichts von sich hören lässt.«
»Das sehe ich auch so. Wenn er sich bis heute Mittag nicht meldet, werde ich ihn anrufen. Wenn Sie möchten, können wir das auch sofort tun.«
Marder wollte gerade sagen, dass ihm das recht sei, aber eine innere Eingebung hielt ihn zurück.
»Haben Sie seine Urlaubsadresse?«
»Ja, selbstverständlich, das ist bei uns Pflicht. Man weiß ja nie, was sich in einem laufenden Fall tut, wenn der Kollege, der ihn bearbeitet, gerade im Urlaub ist. Deswegen muss er immer erreichbar sein.«
Frau Bistorf-Kuntze dachte offensichtlich nicht daran, dass ihr ein Kommissar gegenübersaß, der die Regeln der Kriminalpolizei genauso gut kannte wie sie selbst. Marders Frau Iris hatte sich in den Ferien jedes Mal geärgert, wenn das Telefon klingelte und die Dienststelle in Stade am anderen Ende der Leitung war. Manchmal folgten dann lange Gespräche mit den Kollegen, die die schönsten Tage des Jahres erheblich störten. Einmal musste Marder sogar seinen Urlaub abbrechen. Da war Iris richtig sauer geworden.
Inzwischen hatte Frau Bistorf-Kuntze etwas auf einen Zettel notiert und Marder zugeschoben. Es war eine Adresse in Schweden. Darunter stand eine Handynummer.
Marder faltete den Zettel zusammen und steckte ihn in seine Jackentasche.
»Können Sie mir auch die Adresse von Kommissar Volkert hier in Holzminden geben? Wohnt er in der Nähe?«
»Nur um die Ecke. In Holzminden wohnt jeder um die Ecke. Wir sind eine kleine
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