Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
Vom Netzwerk:
Vergnügen noch für ihre Erholung reklamiert. Die eigentliche Stadt begann hinter einer Häuserreihe. Das Zentrum bildete ein großer viereckiger Platz, umgeben von Gebäuden, deren Fassaden die lange Geschichte des Ortes widerspiegelten. Die Mitte des Platzes wurde durch einen Kranz von Platanen gesäumt, deren Kronen wie mit einem Lineal gezeichnet waagrecht beschnitten waren. Sie schirmten das Pflaster gegen die brennende Sonne ab. Marder setzte sich in einen Korbstuhl vor einem der zahlreichen Restaurants in ihren Schatten. Auf dem Platz herrschte reger Betrieb, jetzt um die Mittagszeit war gerade der Wochenmarkt zu Ende gegangen, die Händler waren dabei, ihre Stände abzubauen und mit ihren Lieferwagen vom Platz zu fahren. Müllmänner in rosa Leuchtanzügen begannen, die leeren Kartons,
    die die Händler zurückgelassen hatten, einzusammeln. Radfahrer trauten sich wieder auf den Platz, Kinder spielten im Wasser, das aus einem Brunnen sprudelte, ältere Ehepaare schlenderten ziellos umher. Frauen mit bunten Plastiktüten und energischen Schritten hetzten in die Seitenstraßen, sie hatten es wohl eilig, ihre Einkäufe rechtzeitig zum Mittagessen nach Hause zu bringen. Eine Gruppe von Teenagern überquerte den Platz, die Mädchen waren leicht und knallbunt gekleidet. Marder fragte sich, ob es gut war, dass sich junge Mädchen in der Öffentlichkeit in derartig knappen Outfits zeigten. Kellner in lila Westen brachten Stühle und Tische ins Freie und stellten sie dort zu Sitzgruppen zusammen, wo vor kurzem noch die Obst-, Fisch-, Brot- und Fleischverkäufer ihre Produkte angeboten hatten. Marder fragte sich, ob Vera unter diesen Bäumen gesessen hatte, als sie zu Bertram am Telefon gesagt hatte, sie säße an der Weser und sonne sich. Wahrscheinlich nicht, denn der Fluss war mehr als hundert Meter entfernt.
    Er hatte für den Rest des Tages einen Plan, der so einfach war, dass er eigentlich gar kein Plan war. Marder wollte ins Büro der Kriminalpolizei gehen und sich zu Kommissar Volkert bringen lassen. Er würde Volkert freundlich begrüßen, ihm versichern, wie sehr er sich freue, ihn wiederzusehen, danach sich wie beiläufig nach Vera Matuschek erkundigen. Volkert würde ihn vermutlich verwundert anschauen und ihm mitteilen, dass Vera zwar bei ihm zu Besuch sei, dass das aber niemanden etwas angehe. Er selbst würde ihm daraufhin kollegial erklären, warum dies nicht korrekt sei, und erläutern, dass er beauftragt sei, Veras Aufenthaltsort festzustellen, und dass Erik Falkenberg in der Zentrale der niedersächsischen Kriminalpolizei auf die Information warte, dass er Vera wohlbehalten aufgefunden habe. Als Letztes würde er auf einen Anruf bei Volkert zu Hause bestehen, wo sich Vera melden würde, um zu bestätigen, dass es ihr gut gehe. Damit wäre die Suche nach Vera Matuschek beendet, und Marder könnte wieder zu seiner Frau und in seinen Ruhestand nach Stade zurückfahren. Vorher wollte er Volkert noch seine alte Jacke zurückgeben.
    Ein paar Tage später würde er Erich Falkenberg eine spär liche Spesenabrechnung zuschicken. Sie würde in Erichs Kostenbudget kaum ins Gewicht fallen.
    Das Gebäude der Kriminalpolizei in Holzminden lag am Rande der Innenstadt. Es war ein Haus aus roten Klinkern. Es strahlte die Ruhe und Sicherheit aus, für die die Menschen, die darin arbeiteten, in der Stadt zu sorgen hatten. Marder informierte den Mann am Empfangstresen, dass er Kommissar Volkert in einer dienstlichen Angelegenheit zu sprechen wünsche.
    »Es tut mir leid, aber Kommissar Volkert ist nicht im Haus. Seine Stellvertreterin ist Frau Bistorf-Kuntze. Vielleicht kann sie Ihnen weiterhelfen.«
    Damit war Marders Plan zwar nicht total gescheitert, aber es lief nicht so, wie er es sich ausgemalt hatte. Sicher würde Volkert in Kürze wieder in sein Büro zurückkehren, dann würde sein Plan, wenn auch mit etwas Verspätung, wie vorgesehen weiterlaufen. Um die Zeit bis dahin zu überbrücken, hatte er nichts dagegen, mit der Stellvertreterin zu plaudern. Marder fand das Büro von Frau Bistorf-Kuntze im ersten Stock. Die Beamtin war unwesentlich älter als seine Tochter und gehörte zu der Generation von Kriminalbeamten, die nicht mehr fast ausschließlich aus Männern bestand, wie es noch in seiner Anfangszeit bei der Polizei der Fall gewesen
    war. Marder fand das gut, er hätte sich in seiner Laufbahn mehr Kolleginnen gewünscht, das hätte der rustikalen und derben Arbeitsatmosphäre einer von Männern dominierten

Weitere Kostenlose Bücher