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Ueber Den Deister

Ueber Den Deister

Titel: Ueber Den Deister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Teltscher
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und Hansestadt – sie war nur zwanzig Minuten mit der Schnellfähre über die Elbe entfernt. Wenn seine Frau sagte, sie sollten mal wieder in die Stadt fahren, dann war immer Hamburg gemeint. Er hatte nichts gegen Hannover, genauso wie er nichts gegen Hildesheim, Halle oder Heilbronn hatte. Manche seiner früheren Kollegen, die in Hannover wohnten, schworen sogar, sie könnten sich keine schönere Stadt zum Leben vorstellen als die Stadt an der Leine.
    Im Polizeipräsidium hielten Marder und Falkenberg eine Lagebesprechung, so wie sie es in den frühen gemeinsamen Jahren ihres Berufs getan hatten, damals war Erich noch ein einfacher Kriminalbeamter gewesen. Erich sagte, er hätte heute Morgen eigentlich zu einer Konferenz müssen, aber der Fall Volkert/Matuschek sei ihm inzwischen so wichtig, dass er einen Stellvertreter geschickt habe. Der sei ein guter Mann und solle die Chance nutzen, sich ein bisschen zu profilieren. Das habe er selbst nicht mehr nötig, da sich seine Laufbahn dem Ende zuneige. Allerdings, wenn er den Ruhestand nicht mehr vermeiden könne, denke er daran, in die Politik zu gehen. Da spiele das Alter keine Rolle.
    »Wenn ich mir das durchschnittliche Alter der Landtagsabgeordneten anschaue, bin ich mit meinen sechzig plus noch gut dabei.«
    Marder war überzeugt, dass Erich dies ernsthaft meinte, denn ein Leben ohne Empfänge und öffentliche Auftritte wäre für seinen Freund sterbenslangweilig. Aber sie saßen heute nicht zusammen, um über Erichs Pläne für die Zukunft zu diskutieren.
    »Gestern ist es mir endlich gelungen, die Herren in der Pathologie zu Überstunden zu nötigen. Sie haben fast die ganze Nacht durchgearbeitet und heute Morgen habe ich brauchbare Ergebnisse bekommen.«
    Marder und Falkenberg schlürften Kaffee aus zwei Plastik-bechern, die Falkenberg aus einem Automaten im Flur gezaubert hatten.
    »Früher«, fuhr Falkenberg fort, »konnte man seine Sekretärin beauftragen, einen Kaffee zu kochen, aber heute verstößt das gegen ihre Arbeitsplatzbeschreibung und Ehre. Damit kann ich gut leben, der Kaffee aus dem Automaten ist immer gleich gut – der von meiner Sekretärin war es nur, wenn sie gut auf mich zu sprechen war. Kommen wir zur Sache.«
    Die Vorhänge des Arbeitszimmers waren zum Schutz gegen das gleißende Licht zugezogen, deshalb war es schummrig im Raum. Obwohl die Sonne mit voller Wucht auf das Gebäude prallte, brannte eine Lampe auf Falkenbergs Schreibtisch. Es herrschte eine konspirative Atmosphäre. Marder konnte seine Spannung kaum im Zaum halten.
    »Was ist denn nun bei der Obduktion herausgekommen?« »Um es kurz zu machen. Die Kollegen von der Pathologie sind sich sicher, dass eine Tiefenvenenthrombose und die dadurch verursachte Lungenembolie die Todesursache war.«
    Marder war enttäuscht. An diese oder eine ähnliche Möglichkeit hatte er bisher überhaupt nicht gedacht.
    »Das hört sich nicht nach Mord an. Auch nicht nach Ertrinken, wie Vera es mir in verschiedenen Versionen weismachen wollte.«
    »Das wollen wir erst einmal dahingestellt lassen. Die eigentliche Todesursache in so einem Fall ist meistens die Lungenembolie. Mein pathologischer Freund, Dr. Kirschbaum, hat mir heute Morgen einen dreiseitigen Vortrag über Blutgerinnung, deren Störungen und ihre möglichen Folgen gehalten, aber ich glaube, ich kann das Wesentliche in wenigen Sätzen zusammenfassen: Bei einer Thrombose bildet sich ein Blutgerinnsel in einem Gefäß – bei Volkert war es die Vene im linken Bein. Wenn sich dieses Gerinnsel oder ein Teil davon löst und durch das Blut in die Lunge transportiert wird, kann es dort zu einer Verstopfung der Lungengefäße kommen. Der Betroffene kann nicht mehr atmen, und das kann innerhalb weniger Minuten zum Tod führen. Das muss nicht in jedem Fall so tragisch enden, aber es passiert oft genug. Offensichtlich war das bei Volkert so. Dr. Kirschbaum sagt, der Tod muss sich fünfundzwanzig bis dreißig Stunden ereignet haben, bevor die Leiche im Wasser der Weser deponiert wurde.«
    »Dann ist es mit großer Wahrscheinlichkeit noch in Schweden passiert. Aber das heißt auch, es war definitiv ein natürlicher Tod. Warum dann der ganze Aufwand von Vera Matuschek mit dem Transport der Leiche nach Holzminden und dem Versenken in dem Hafenbecken?«
    »Weil der Tod vielleicht doch nicht ganz so natürlich war. Jetzt wird es ein bisschen kompliziert: In Volkerts Gepäck war eine Packung Marcumar, das ist ein Arzneimittel, das das Gerinnen des Blutes

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