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Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Mann, der am Kai Gelegenheitsarbeiten verrichtete und Bestellungen übermittelte, der immer mit der überflüssigen Hilfestellung am Ellbogen des aus-oder einsteigenden Fahrgastes bereitstand, der immer willig war zu helfen, wo keine Hilfe benötigt wurde, und einem seinen alten Filzhut hinhielt, wenn er sich nach dem überflüssigen Dienst verbeugte. «Er wird Sie zu dem vaporetto bringen. Es fährt eines in zwanzig Minuten.»
    «Der Teufel soll es holen», sagte der Colonel. «Fahren Sie uns zum Gritti.»
    «Conpiacere», sagte der Bootsführer.
    Der Colonel und Jackson ließen sich in das Motorboot, das wie ein Rennboot aussah, hinunter. Es war auf Hochglanz lackiert und liebevoll gepflegt und wurde von einer umgebauten winzigen Fiatmaschine angetrieben, die die ihr zugemessene Lebenszeit in dem Auto eines Landarztes abgedient hatte, und die dann auf einem der Autofriedhöfe erstanden worden war, einer der Begräbnisstätten jener mechanisierten Elefanten, die das einzige sind, was man mit Bestimmtheit in unserer Welt in der Nähe jeder bevölkerten Stadt finden kann. Der Motor war dann wieder instand gesetzt und umgebaut worden, um ein neues Leben auf den Kanälen Venedigs zu beginnen.
    «Was macht denn der Motor?» fragte der Colonel. Er hörte Geräusche wie bei einem angeschossenen Panzerwagen oder T. D. nur daß es durch die viel geringere Energie Miniaturgeräusche waren.
    «So – so», sagte der Bootsführer. Er machte mit seiner freien Hand die entsprechende Bewegung.
    «Sie sollten sich das kleinste Modell, das Universal herausbringt, anschaffen. Das ist der beste und leichteste Schiffsmotor, den ich kenne.»
    «Ja», sagte der Bootsführer. «Es gibt eine ganze Menge Dinge, die ich mir anschaffen sollte.»
    «Vielleicht wird es ein gutes Jahr für Sie.»
    «Das ist immer möglich. Es kommen massenhaft pescecani von Mailand herunter, um auf dem Lido zu spielen. Aber kein Mensch würde freiwillig zweimal hier drin fahren. Dabei ist es als Boot ausgezeichnet. Es ist ein gutgebautes, gefälliges Boot. Nicht so schön wie eine Gondel natürlich. Aber was ihm fehlt ist ein Motor.»
    «Ich werde Ihnen vielleicht einen Jeepmotor besorgen können, einen, der ausrangiert ist und den Sie überholen können.»
    «Reden Sie nicht von so was», sagte der Bootsführer. «So was passiert doch nicht. Ich will gar nicht erst an so was denken.»
    «Denken Sie nur ruhig daran», sagte der Colonel. «Ich meine es wirklich.»
    «Ist das Ihr Ernst?»
    «Gewiß doch. Natürlich kann ich für nichts garantieren. Ich werde sehen, was sich machen läßt. Wie viele Kinder haben Sie?»
    «Sechs. Zwei Jungen und vier Mädchen.»
    «Teufel noch mal. Sie haben wohl nicht an das Regime geglaubt? Nur sechs.»
    «Ich hab nicht an das Regime geglaubt.»
    «Mir brauchen Sie das nicht vorzumachen», sagte der Colonel. «Es wäre ganz natürlich gewesen, wenn Sie daran geglaubt hätten. Glauben Sie denn, daß ich das einem Mann vorwerfen würde, nachdem wir gesiegt haben?»
    Sie hatten jetzt den langweiligen Teil des Kanals hinter sich, der von der Piazzale Roma bis zur Ca’ Foscari geht, obgleich eigentlich kein Teil langweilig ist, dachte der Colonel.
    Es brauchen ja nicht alles Paläste und Kirchen zu sein. Das da ist gewiß nicht langweilig. Er blickte nach rechts, steuerbord, dachte er. Ich bin auf dem Wasser. Es war ein niedriges, gefälliges Gebäude, und daneben war eine trattoria.
    Ich sollte hier leben. Mit meiner Pension könnte ich es bewerkstelligen. Nicht im Gritti Palace. Ein Zimmer in einem Haus wie dem da, wo Flut und Ebbe und Boote kommen und gehen. Vormittags könnte ich lesen und vor dem Essen durch die Stadt schlendern und mir jeden Tag die Tintorettos in der Accademia und der Scuola San Rocco ansehen und in guten, billigen Lokalen hinterm Markt essen, oder vielleicht würde auch die Frau, die das Haus verwaltet, mir abends was kochen.
    Ich glaube, es wird am richtigsten sein, mittags außerhalb zu essen und sich Spazierengehenderweise Bewegung zu machen. Es ist eine gute Stadt zum Spazierengehen. Wahrscheinlich die beste, die es gibt. Ich bin niemals hier umhergegangen, ohne daß es mir Vergnügen gemacht hätte. Ich könnte sie wirklich gut kennenlernen, dachte er; dann gehörte sie mir noch mehr.
    Es ist eine sonderbare, knifflige Stadt, und von irgendeinem Punkt nach irgendeinem anderen gegebenen Punkt zu gelangen, ist amüsanter als Kreuzworträtsel lösen. Eine der wenigen Sachen, die uns zur Ehre gereicht haben,

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