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Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman

Titel: Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Seidel
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ist, er sieht sooo nett aus«, haucht Tanja am Ende enttäuscht.
    »Und attraktiv«, seufzt Juli.
    Attraktiv? Auf mich hat er in erster Linie harmlos gewirkt. Zumindest, bis ich es dann besser wusste.
    »Können wir nicht mitkommen?«, fragt Juli. »Wir machen auch freiwillig einen Elfentanz für euch!« Sie flattert mit ihren imaginären Flügeln.
    »Auf gar keinen Fall dürft ihr das!« Diesen Frauen ist wirklich alles zuzutrauen.
    »Sie will ihn nur für sich alleine haben«, sagt Tanja und
verzieht schmollend den Mund. Ich knuffe ihr ärgerlich in die Seite.

    Ein bisschen aufgeregt bin ich doch, als unser kleiner Stoßtrupp in Richtung Schloss eilt. Hoffentlich werden Henry und seine Damen unseren Vorschlag gut aufnehmen. Wir haben uns richtig schick gemacht, um ihnen Respekt zu zollen – jeder von uns auf seine, teils etwas eigenwillige Art: Peter trägt ein flaschengrünes Samtjackett und ein orange-farbenes Halstuch mit Paisleymuster. Tanja hat ihre am wenigsten ausgewaschene, dunkelblaue Jeans mit einer pinken Seidentunika mit goldener Saristickerei kombiniert, Juli – die wunderbare Juli – hat ein schlichtes, aber edles grünes Baumwollkleid angezogen, und ich habe mich für ein einfaches schwarzes Etuikleid entschieden. Wir sehen gut aus, finde ich. Vielleicht nicht ganz so gut wie die Jungaristokraten in der alten Moët & Chandon-Reklame, die sich in fließender Seide mit Champagnergläsern in italienischen Weinbergen aalen. Eher ähneln wir wohl doch einem Haufen Hippies, der versucht, einen auf nobel zu machen. Mein Vater geht ein Stück voraus. Als er kurz über seine Schulter blickt, fange ich das Grinsen auf, mit dem er sich anschaut, wie wir auf unseren hochhackigen Schuhen über die Weide stolpern. Ich werfe ihm eine lässige Kusshand zu – und knicke prompt um. Autsch! Und dieser schlimme Mann lacht. Verräter! Früher hätte er sich besorgt zu Boden geworfen und auf meinen schmerzenden Knöchel gepustet. Tja, Zeiten, Menschen und Sitten ändern sich rasant. Egal, uns kann nichts aufhalten. Wir erklimmen den Hügel. Würde
ich wie Juli das Leben in Filmszenen betrachten, wäre dies der »Armageddon«-Aufmarsch: unbewegliche Mienen, wild entschlossene Kämpfer mit einem wichtigen Auftrag bewegen sich zeitverzögert durch einen Dunstschleier. Die Fanfaren erklingen. Ihre Mission entscheidet über die Zukunft der ganzen Menschheit.
    Aber wie gut ist unsere Idee wirklich? Immerhin ist es uns gelungen, uns selbst und meinen Vater zu überzeugen. Für die Herrenhausfraktion haben wir uns eine Taktik zurechtgelegt, die vor allem vorsieht, behutsam vorzugehen. Erst mal nur zu berichten, dass wir die »Fish-und-Chips«-Bude ein wenig auf Vordermann bringen wollen. Wenn sie das schlucken, können wir immer noch ganz vorsichtig darauf hinarbeiten, dass man vielleicht noch ein klitzekleines bisschen mehr tun könne.
    Nachdem wir uns alle höflich einander vorgestellt haben, nehmen meine Freunde und ich allesamt auf einem der Sofas im Kaminzimmer Platz. Wir haben wirklich an alles gedacht. Daran, unsere Beine so aristokratisch wie möglich übereinanderzuschlagen. Daran, die Teetasse knapp über dem Knie zu halten. Nur nicht daran, meinen Vater vorab in unsere »Taktik« einzuweihen. Dieser teutonische Nichtsnutz – sorry, Papa – schwingt ohne Umschweife die Axt. Er nimmt nicht einmal den klitzekleinen Umweg über das Wetter. Das muss vor allem Peter enttäuschen, der in seinem Wörterbuch noch schnell die englischen Begriffe für »Schauer« in Abgrenzung zu »Regen« und für »bedeckt« in Abgrenzung zu »bewölkt« nachgeschlagen hat. Nein, mein Vater sagt bloß: »Die Kinder haben eine Idee, wie wir hier den Laden richtig umkrempeln können. Und ich finde die gar nicht so schlecht.«

    Aufmunternd schaut er uns an. Seine Einführung musste den Eindruck vermitteln, wir wollten auf diesem altehrwürdigen Anwesen das Unterste zuoberst kehren.
    Wir sehen alle betreten zu Boden. Außer Juli. Die prustet schon in ihren Tee, seit mein Vater uns als »Kinder« bezeichnet hat. Die älteren Herrschaften haben auf Papas Ansage genauso wie wir anderen reagiert: Sie haben sich erschrocken am Tee verschluckt. Nun schauen sie uns argwöhnisch interessiert an, wie Forscher faszinierende, aber nichtsdestotrotz bissige Insekten durchs Mikroskop. Wir hätten sie wirklich nicht so überrumpeln dürfen. Gott, wie soll ich das nur retten? Der Earl Grey inspiriert mich kein Stück. Wo ist bloß der ganze Alkohol, wenn

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