Ueber den gruenen Klee gekuesst - Roman
schweife ab. Ich muss seine Frage noch beantworten: »Öh, ...ihr Englisch ist ein bisschen eingerostet. Ich glaube, sie wussten einfach
nicht, was sie sagen sollten. Hast du in das Buch reingeguckt? «
»Ja, habe ich. Ich bin an manchen Stellen noch nicht so ganz schlüssig, was sie bedeuten können, und will noch mal darüber nachdenken. Aber sieh mal, diesen Ort hier kenne ich, da habe ich als Kind gespielt. Ganz sicher, dass er es ist.«
Er deutet auf eine Stelle im Buch. »... die doppelte Vereinigung der Elemente, Wasser und Erde, Mann und Frau vor einer Mauer aus Stein. Wenn du magst, können wir da gerne mal zusammen hingehen.«
Ich spüre ein Kribbeln im Bauch. Zum ersten Mal macht die Suche erkennbare Fortschritte. Zuckermann hat also einen realen Ort beschrieben. Endlich mal etwas Greifbares, einen Ort, den man besichtigen kann. Er ist verbürgt und verrät vielleicht mehr noch als die Menschen, die ich bisher befragt habe. Woher soll ich deren Motive kennen, woher wissen, dass ihre Wahrnehmung nicht völlig verzerrt wird? Das ist so aufregend. Jetzt sind die Feengedichte und meine Suche nicht mehr bloße Hirngespinste. Eine Stimme aus der Wirklichkeit hat sich daruntergemischt. Es gibt einen wahrhaftigen Bezug zum echten Leben. Aber will ich auf meinem Weg zu mehr Erkenntnis wirklich ausgerechnet Colin als Begleiter? Ganz wohl ist mir nicht in seiner Nähe. Schade, dass Frederick mir am Ende doch alles erzählt hat. Ich muss daran denken, wie ich mit Colin auf dem Dach gelacht habe. Und wie sympathisch er mir da war, weil ich ihn für den wahnsinnig netten Jungen von nebenan gehalten habe. Kommt mir vor, als wäre das schon eine Ewigkeit her. Nun weiß ich gar nicht mehr, was ich über ihn denken soll. Das scheint derzeit das Prinzip meines
bislang so geordneten Lebens zu sein. Nichts passt mehr so richtig zusammen – weder Colin und sein Geheimnis, noch Zuckermanns Dichtung und die grobe Nellie, noch, dass ich nun mit meinen Hamburger Freunden in einem irischen Kaff rumhänge, um eine Frittenbude zu retten. Ach, was soll’s. Wenn man dieses Chaos ohnehin nicht mehr bezwingen kann, kann man sich auch gleich mitten hineinwerfen. Ich bin viel zu erschöpft, um mich dagegen zu wehren.
»Ja, sehr gerne. Das wäre toll«, sage ich so freundlich wie möglich.
»Ich bin am Wochenende wieder hier. Ich soll deinem Vater und dir helfen, die Bude wieder auf Vordermann zu bringen. Und habe ich das gerade in der Küche richtig gehört, dass deine Freunde auch helfen wollen? Das finde ich wirklich toll! Auch wenn ich nicht so genau weiß, was es bringen soll. Aber so kommt zumindest etwas Bewegung hier herein. Und ich glaube, das allein wird Henry, Moira und Violet schon guttun.« Sein Lächeln ist ein wenig besorgt. Colin mag ja ein ekelhafter Schwerenöter sein, aber seiner älteren Verwandtschaft ist er mit echter Zärtlichkeit zugetan. Ich verabschiede mich deshalb mit einem wärmeren Lächeln, als dem, das ich zu seiner Begrüßung aufgesetzt habe, und gehe in die Küche zurück. Mein Vater hat schon seine dicke Jacke übergeworfen.
»Ich mache jetzt meinen Spaziergang. Hat jemand Lust mitzukommen?«
»Ich!«, ruft Peter und springt auf.
Aus irgendeinem Grund haben die beiden einen Narren aneinander gefressen und reden inzwischen sogar miteinander, ohne sich gegenseitig unter einem Zitateberg zu ersticken.
Einträchtig schlurfen sie von dannen – wie zwei Soldaten des Geistes im verträumt gemächlichen Gleichschritt.
»Hm, sie werden im Grünen sicher zu ganz neuen Ergebnissen kommen, was die Ordnung des Weltalls angeht, oder? Hat etwas von ›Karate Kid‹, der von Mr. Miyagi in die Geheimnisse des Lebens und der Kampfkunst eingeführt wird«, sagt Juli kichernd. Klar, dass ihr wieder ein Filmvergleich einfällt. Ich wette, sie ist nur Kinoredakteurin geworden, weil sie so ganz legal und kostenlos an ihre persönliche Droge rankommt. Wenn Juli eine Woche lang keinen guten Film gesehen hat, verfällt sie in die gleiche Harakiri-Stimmung wie ein frischgebackener Nichtraucher, der vor 72 Stunden seine letzte Kippe ausgedrückt hat.
»Aber welcher von beiden ist Karate Kid?«, frage ich. Wir sehen uns ratlos an und brechen dann in schallendes Gelächter aus. Ich nutze die Abwesenheit der Herren, um die Mädels auf den neuesten Stand zu bringen, und erzähle auch prompt, dass ich nun wirklich und wahrhaftig einen der Orte aus den Gedichten zu sehen bekomme.
»Oh, es ist so schade, dass er ein Schwein
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