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Ueber den Himmel hinaus - Roman

Ueber den Himmel hinaus - Roman

Titel: Ueber den Himmel hinaus - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Freeman
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sagen. Sie wird es sich bestimmt sehr zu Herzen nehmen, wenn sie hört, was ihre Mutter uns angetan hat.«
    Natalja ließ sich ihre Wut nicht anmerken. »Du hast recht. Vielleicht sollte ich etwas Zeit mit ihm allein verbringen. Hast du etwas dagegen, wenn ich heute Abend mit ihm in einen Pub gehe?«
    Lena lächelte glücklich. »Aber nein, das wäre toll. Mit mir hat er schon genügend Zeit verbracht.«
    »Gut, dann komme ich gegen sechs bei euch vorbei.«
    »Die Familie ist einfach unheimlich wichtig, nicht?«

    »Jetzt klingst du wie eine kitschige Grußkarte.«
    Lena lachte. »Ja, das tue ich wohl.« Sie beobachtete Nikita eine Weile. »Er ist irgendwie seltsam, nicht?«
    Natalja war verwirrt. Ging es noch um ihren Vater? »Ich weiß nicht.«
    »Aber ich. Ich habe täglich mit Kindern seines Alters zu tun.«
    »Oh. Was stimmt denn deiner Meinung nach nicht mit ihm?«
    »Pass mal auf.« Lena bückte sich und nahm Nikita den Laster weg. Er saß nur da und starrte ohne einen Mucks auf die Stelle, an der sein Spielzeug gelegen hatte. »Ein normales fünfzehn Monate altes Kind würde jetzt weinen.« Sie stellte den Laster wieder vor dem Jungen ab. Er drehte ihn sofort um und begann erneut, an den Rädern zu spielen. »Ich fürchte, er ist autistisch.«
    Natalja war geschockt. »Unsinn. Er ist unheimlich intelligent. Er spricht Russisch, Französisch und Englisch.«
    »Nein, er imitiert nur die Worte, die er hört, das ist ein großer Unterschied. Ich habe ihn noch kein einziges Mal ›Mama‹ schreien oder auf etwas zeigen sehen. Er … wedelt bloß mit den Armen.«
    Natalja sah Nikita auf einen Schlag mit völlig neuen Augen. Seine Geduld, seine Konzentriertheit, seine Ernsthaftigkeit - keine Anzeichen geistiger Reife, sondern Symptome einer Krankheit. Arme Sofi.
    »Sofi hat keine Ahnung, oder?«
    »Nein.«
    »Du wirst es ihr sagen müssen.«
    Lena zauste Nikita seufzend das Haar. »Ich schätze, du hast recht.«

     
    »Schläft er?«
    Sofi schloss die Schlafzimmertür hinter sich und nickte.
    »Ja, wie ein Murmeltier.«
    »Möchtest du etwas trinken? Wein, Tee?«
    »Ein Glas Wein. Nach so einem Tag …«
    Sofi sank auf das Sofa und zog die Beine an. Draußen goss es noch immer in Strömen. Natalja war mit Onkel Viktor ausgegangen, was Sofi sehr überraschte. Sie hatte angenommen, Natalja würde ihrem Vater gegenüber genauso viel Misstrauen, ja, Ablehnung empfinden wie sie selbst.
    Lena kam mit zwei Gläsern Wein aus der Küche. Sofi hätte beinahe spaßeshalber bemerkt, sie sollten sich wohl besser beeilen, ehe Viktor zurückkam und ihnen alles wegtrank, aber Lena hatte ihren Sinn für Humor in Briggsby gelassen.
    Der heutige Tag war einer der wichtigsten in Sofis bisheriger Karriere gewesen. Sie hatte Aufträge in einer Größenordnung unterschrieben, die sie nur bewältigen konnte, wenn sie zwei weitere Assistenten einstellte. Das bedeutete, sie musste eine Werkstatt anmieten. Es mussten noch so einige Entscheidungen getroffen werden, wenn sie wieder in Frankreich war. Und Julien brach in drei Monaten schon nach Sydney auf.
    Während sie über all das nachdachte, fiel ihr auf, dass auch Lena schon eine ganze Weile schweigend Löcher in die Luft starrte und auf ihrer Unterlippe herumkaute. Seit Viktors Rückkehr war Lena geradezu manisch glücklich. Es konnte mit ihrer Stimmung irgendwann nur bergab gehen.
    »Denkst du über deinen Vater nach?«, fragte sie sanft.
    Lena wandte den Kopf und lächelte. »Nein, über Nikita.«

    Sofort war Viktor vergessen. »Ach ja?«, sagte Sofi, von Mutterstolz erfüllt.
    Lena fuhr sich mit den Fingern durch die Haare und holte tief Luft.
    »Was ist denn?«, fragte ihre Cousine verunsichert.
    »Wie du weißt, arbeite ich mit Kindern seines Alters.«
    »Ich dachte, sie wären schon älter.«
    »Manche schon, aber ich bin überwiegend für die Kleinkinder zuständig. Nikita ist nicht … Sofi, ich fürchte, es stimmt etwas nicht mit ihm.«
    Sofi rang vor Empörung nach Luft. Sie konnte sich nicht erinnern, je eine derartige Wut verspürt zu haben. »Unsinn. Er ist ein kerngesunder, wunderbarer Junge.«
    »Ja, das ist er, und ich liebe ihn von ganzem Herzen, genau wie dich. Genau deshalb spreche ich es an. Du solltest mit ihm zum Arzt gehen. Ich glaube, Nikita ist autistisch.«
    Sofi hatte es die Sprache verschlagen. Wie konnte ihr Lena das antun?
    »Ich … Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Dann hör mir einfach zu.« Lena begann die Anzeichen aufzuzählen: Nikitas

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