Ueber den Himmel hinaus - Roman
anzubrüllen. Eine mörderische Wut brodelte in ihr. Wie konnte er nur? Wie konnte er nur?
Als sie die Treppe hinaufhetzte, stellte sie fest, dass sie weinte. Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und atmete einmal tief durch, dann riss sie die Tür auf.
»Rupert!«, schrie sie. »Rupert!«
Doch statt Rupert trat Marcus aus der Küche und starrte sie besorgt an. »Ist alles in Ordnung?«
Natalja versuchte, sich zu fassen. Sie hatte völlig vergessen, dass Marcus hier war. »Wo ist Rupert?«
»Der ist gegangen. Es war ihm wohl zu laut hier.« Er ergriff zaghaft ihren Arm. »Was ist denn los, Natalja? Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
Sie sah auf seine Hand hinunter. Ihr Herz pochte wie verrückt.
»Verzeihung.« Er zog die Hand zurück.
Und da wusste sie, wie sie es Rupert heimzahlen würde. Die perfekte Rache.
»Halten Sie mich einfach fest«, hauchte sie. Es war eine Textzeile aus Lonely Shores , aber sie funktionierte auch im richtigen Leben tadellos.
Marcus schluckte, dann zog er sie an sich und legte die starken Arme um sie. »Das kriege ich hin.«
Sie spürte seine Lippen auf ihrem Ohr, auf der Wange,
auf ihrem Mund. Heißes Begehren strömte durch ihren Körper. Er war so jung, so hart, so lebendig. Sie zerrte an seinem T-Shirt, zog es ihm über den Kopf. Zwei Knöpfe fielen zu Boden, als er ihre Bluse aufriss. Haut an Haut. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich das letzte Mal gern ausgezogen, sich genüsslich von Männerhänden hatte liebkosen lassen. Er hob sie hoch und trug sie zum Sofa, begrub sie unter sich, die Jeans um die Knöchel. Ihr Höschen lag auf dem Boden, ihr Rock war zur Taille hochgeschoben. Vergessen waren Enttäuschung, Zorn, Angst, Schuldgefühle. Sie schloss die Augen, legte den Kopf in den Nacken und ergab sich der alles verzehrenden Erregung.
Marcus wohnte in einem kleinen Apartment im Süden von London, direkt über seiner Werkstatt. Dort waren sie bedeutend sicherer als in Ruperts Wohnung.
In den nächsten Wochen lebte Natalja in einer Traumwelt, das war ihr klar, wenn auch nur undeutlich. Abends trank sie mit Rupert teuren Wein, besprach mit ihm diverse Details für die Hochzeit, als wäre alles beim Alten. Sie fuhren gemeinsam zum Set, aßen zusammen, hatten Sex, genau wie immer. Doch kaum hatte Rupert die Wohnung verlassen, um zu irgendwelchen Besprechungen, Geschäftsessen oder ins Solarium zu gehen, nahm Natalja ein Taxi und fuhr zu Marcus. Dieser ließ sofort alles liegen und stehen und eilte mit ihr nach oben, um sie zu lieben, wild und leidenschaftlich, nach Schweiß und Sägemehl riechend.
Keiner von ihnen war so naiv, von Liebe zu sprechen. Es ging ausschließlich um die Befriedigung körperlicher Bedürfnisse, die aber nicht nur sexueller Natur waren. Marcus verwöhnte sie mit Nudeln in allen Variationen, mit reichlich
Butter, Knoblauch und Sahnesauce. Er war ein hervorragender Koch, und er fand Natalja zu dünn.
Zu dünn! Bei der letzten Anprobe hatte sie förmlich das Mieder gesprengt!
Sie genoss das Essen gerade aus vollen Zügen, als plötzlich ihr Handy klingelte. Natalja rannte panisch zu ihrer Handtasche und schluckte hastig hinunter, ehe sie antwortete.
»Hallo?«
»Wo steckst du denn? Da komme ich einmal früher nach Hause, und du bist nicht da.« Sie sah zu Marcus, der mit nacktem Oberkörper in seiner sonnigen Küche saß und Fettuccine auf die Gabel wickelte. »Ich mache einen Einkaufsbummel.«
»Dafür ist es im Hintergrund aber ziemlich still.«
»Ich habe eine kurze Pause eingelegt.«
»Wo bist du? Wir haben schon eine Woche nicht mehr zusammen zu Mittag gegessen.«
»Entschuldige, Liebling. Ich bin bald zu Hause.«
Er bohrte nicht weiter nach. Schon das war eindeutig ein Warnsignal. Er verdächtigte sie. Sie würde eine Weile auf der Hut sein müssen.
Während sie das Telefon wieder einsteckte, trat Marcus hinter sie und legte die Hände auf ihre Brüste. »Musst du gleich los, oder hast du noch Zeit?«
»Nein. Er ahnt etwas.«
»Ist das denn so schlimm?«, murmelte er ihr ins Ohr. Sein Atem kitzelte sie. »Du kannst ihn nicht heiraten.«
Sie löste sich aus seiner Umarmung. »Tja, dich kann ich aber auch nicht heiraten.«
»Darum habe ich dich auch gar nicht gebeten. Ich sage nur, du liebst ihn nicht, also heirate ihn nicht.«
»Ich muss gehen.« Sie küsste ihn auf die Wange. »Ich melde mich, so bald es geht.«
»Ich werde da sein.«
Während sie hinunter auf die Straße eilte und ein Taxi anhielt,
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