Ueber den Himmel hinaus - Roman
ihretwegen nicht aufgeräumt; sein Schlafzimmer war genauso unordentlich wie der Rest seiner Wohnung. Er warf ein paar Bücher, die ihnen im Weg waren, auf den Boden, legte Natalja auf sein Bett - die Laken rochen muffig und männlich, genau wie er - und küsste sie unablässig, während er sie entkleidete. Ihr war, als würde
sie aus einem langen, unglücklichen Schlaf geweckt, und als sie sich schließlich liebten, fühlte es sich an, als wären sie zwei Teile eines Ganzen, die einander endlich gefunden hatten.
Nachdem es acht Tage wie aus Kübeln geschüttet hatte, war Lena überzeugt gewesen, dass es in ihr Haus geregnet haben musste. Aber wie es aussah, hatte das provisorisch reparierte Dach dem Unwetter standgehalten. Jetzt schien die Herbstsonne auf die Felder, und Matthew und Anna veranstalteten ein Wettrennen zum Schuppen und zurück, während Lena jeden Raum auf Pfützen überprüfte. Nichts.
Aber der Regen war nicht der einzige Grund für ihre Fahrt nach Little Ayton gewesen. Sofi hatte sie mit Anrufen bombardiert und ihr einen Floh ins Ohr gesetzt.
»Es ist ganz einfach, Lena«, hatte sie gesagt. »Ich gebe dir das Geld. Weil ich dich liebe, weil ich möchte, dass du mit deinen bezaubernden Kindern in einem schönen Haus wohnst. Als Gegenleistung erwarte ich lediglich, dass du Ende des Jahres zu mir nach Richelieu kommst und mit Natalja redest. Mehr nicht. Ich verlange nicht, dass ihr so tut, als wärt ihr dicke Freundinnen. Du sollst nur mit ihr reden.«
Sofi meinte es gut, zweifellos, und doch hatte Lena das Gefühl, erpresst zu werden. Sie musste sich zwischen der Zukunft ihrer Kinder und ihrem störrischen Drang, Natalja auf ewig böse zu sein, entscheiden. Natürlich sollte sie annehmen.
Doch warum fiel es ihr dann so unendlich schwer?
Anna kam atemlos und mit roten Wangen angelaufen. Sie war wieder ein kleines Mädchen; verschwunden war der feindselige angehende Teenager, an den sich Lena schon gewöhnt hatte. »Ich war schneller!«, schrie sie.
Matthew folgte ihr auf dem Fuß. »Warst du nicht!«
»War ich doch!«
So ging es noch kurz hin und her, dann sagte Anna, zu Lena gewandt: »Hier riecht es komisch.«
Lena war noch nie mit den Zwillingen hier gewesen, sie selbst auch seit Monaten nicht mehr und nur ein einziges Mal seit der Trennung von Sam.
»Es muss hergerichtet werden. Möchtet ihr hier wohnen, wenn es renoviert ist?«
»Auf keinen Fall«, sagte Anna.
»Es würde nicht mehr komisch riechen. Wir würden eine neue Küche einbauen lassen, und ihr könntet jeder ein Zimmer für sich haben.«
»Cool! Das wäre klasse!«, kreischte Matthew und stürmte hinaus. »Ich kriege das schönste Zimmer«, rief er über die Schulter. Anna rannte ihm hinterher, und dann stand Lena wieder allein in der Küche.
Ihre Entscheidung war gefallen.
KAPITEL 44
Die Fahrt von Paris nach Richelieu war anstrengend. Nicht nur, weil Sofi den monströsen Peugeot V6, den sie Julien zu Weihnachten geschenkt hatte, über die vereisten Straßen steuern musste; vielmehr lag es am frostigen Schweigen im Inneren des Wagens.
Es war ein langer Tag gewesen. Natalja war um zehn Uhr vormittags angekommen. Sofi hatte sie abgeholt, ihr ihren Laden gezeigt und sie dann zu einem teuren Essen in einem Restaurant namens Baracane nahe der Bastille ausgeführt.
Natalja hatte den ganzen Tag von ihrem neuen Freund erzählt und zu Sofis Verwunderung kein Wort über Sam oder ihren Betrug an Lena verloren. »Was wirst du eigentlich Lena sagen?«, hatte sie sie schließlich gefragt.
Natalja hatte mit den Schultern gezuckt. »Was wohl? Dass es mir leidtut und dass ich sie noch lieb habe.«
»Ich glaube kaum, dass sie sich damit besänftigen lassen wird. Was du getan hast …«
»Ja, ja, ich weiß «, hatte Natalja sie unterbrochen. »Erspar mir deine Strafpredigt, Sofi. Es ist echt ermüdend, immer diejenige zu sein, die alles falsch macht.«
Nach dem Mittagessen fuhren sie wieder zum Flughafen zurück, um Lena abzuholen, die gegen drei ankommen sollte. Natalja wartete auf Sofis Geheiß im Auto.
Lena war blass und ausgemergelt, als wäre sie um zehn Jahre gealtert, seit Sofi sie zuletzt gesehen hatte.
Sie ließ unruhig den Blick schweifen. »Ist sie schon da?«
»Sie wartet im Wagen. Atme erst einmal tief durch.«
Lena schlang sich den Riemen ihrer Tasche über die Schulter. »Ich bin nicht nervös.« Das war gelogen, wie jedermann sehen konnte. »Sie sollte nervös sein.«
Natalja hatte in der Zwischenzeit auf der
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