Ueber den Himmel hinaus - Roman
den Kopf und starrte sie finster an. »Ich kann darauf verzichten, bei meinen Angestellten Erkundigungen einzuholen, wo du dich herumtreibst. Wie kannst du es wagen? Du hast mich lächerlich gemacht.«
»Aber ich habe doch nichts getan.«
»Du wolltest unbedingt in diesen albernen Nachtclub. Du bist kein junges Mädchen mehr, Natalja. Eine aufgetakelte Dreißigjährige, die sich mit zehn Jahre jüngeren Leuten abgibt, das ist peinlich. Werde erwachsen.« Erst jetzt bemerkte er den Morgenmantel. »Was ist mit deinem Kleid?«
»Es hat Kaffeeflecken. Ich weiß nicht, was ich für das Meeting anziehen soll.«
»Was für ein Meeting?«
»Der Brunch.«
»Den habe ich abgesagt. Ich bin nicht in der Stimmung für Smalltalk. Nicht, nachdem ich öffentlich gedemütigt wurde.«
Natalja schwindelte.
»Es ist mir egal, was du anziehst, Natalja. Ich habe weiß Gott Wichtigeres zu tun, als mich um so etwas zu kümmern.« Er wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu. »Geh. Geh und such dir eine Beschäftigung.«
Zögernd stand sie an der Schwelle. Er hatte sich beruhigt, das war gut. Vielleicht war es wirklich das Beste, wenn sie ihn eine Weile sich selbst überließ. Aber Mata Hari …
»Rupert, ich weiß, du bist wütend, aber ich muss Liam Franks treffen und ihn davon überzeugen, dass ich wie geschaffen bin für die Hauptrolle seines Films.«
»Vergiss es, Natalja. Die bekommst du nie und nimmer.«
»Aber du hast gesagt …«
»Ich habe gesagt, ich kann ihn überreden, dich vorsprechen zu lassen; aber er würde dich garantiert nicht engagieren. Ein Serienstar wäre Gift für die Glaubwürdigkeit seines Films.« Er scheuchte sie hinaus. »Geh jetzt. Geh einkaufen oder was auch immer. Meine Optima-Kreditkarte ist in meiner Brieftasche auf dem Nachttisch.«
Natalja stiegen Tränen in die Augen.
»Was ist denn noch?«, bellte er ungeduldig.
Sie schob das Kinn nach vorn, ganz die gedemütigte Heldin, die sich nicht unterkriegen ließ. Sie wartete darauf, dass er es bemerken und aufspringen würde, um sie in den Arm zu nehmen. Nichts geschah. Er verhielt sich ganz und gar nicht wie die Charaktere in seiner Serie. Sie wandte sich um und knallte die Tür zu, wohl wissend, dass sie damit nicht das Geringste erreichte. Zum Teufel mit ihm. Dann würde sie eben losziehen und sein Geld ausgeben. Und zwar nicht zu knapp.
Lena bog um die Ecke und nahm den Anstieg zu Wendys Haus in Angriff. Der fünfundzwanzigminütige Fußweg nach Hause war ihre einzige kinderfreie Zeit des Tages. Matthew hatte sie heute um vier Uhr morgens mit einem Schreianfall geweckt. Um sieben hatte sie ihren Dienst in der Kinderkrippe Little Darlings angetreten, wo sie den ganzen Tag den Sprösslingen anderer Leute den Hintern und die Nase abwischte. Wenn sie nun um vier nach Hause kam, ging es erst richtig los: Abendessen, Bad, Bett. Es bekümmerte
sie, dass sie sich nicht mehr auf das Wiedersehen mit ihren eigenen Kindern freute. Matthew und Anna waren jetzt zwanzig Monate alt und einfach entzückend, fröhlich und lebhaft. Hoffentlich hatte Sam sie nach dem Mittagessen hingelegt; vor allem Matthew war sonst abends unausstehlich und weinerlich.
Ihre Kinder saßen auf der Couch, tranken Saft aus Plastikflaschen und schauten Zeichentrickfilme, als sie das Haus betrat, weit und breit war kein Erwachsener zu sehen. Sie hängte Mantel und Tasche auf. Sobald Matthew sie erspäht hatte, brach er in Tränen aus.
»Mummy!«, heulte er und streckte die speckigen Ärmchen nach ihr aus.
»Ach, herrje.« Sie hob ihn hoch. »Ihr hattet wohl wieder keinen Mittagsschlaf, wie?«
Wendy hastete herein. »Entschuldige, ich war am Telefon. Sam ist nicht da, ich habe auf sie aufgepasst.«
Das erklärte den Saft und den Fernseher. Lena zwang sich zu einem Lächeln. »Haben sie geschlafen?«
»Nein, sie sind mir nicht müde vorgekommen. Aber sie ruhen sich ohnehin seit zwei vor dem Fernseher aus.«
Zwei Stunden Fernsehen. Während Lena mit fremden Kindern malte und ihnen Geschichten vorlas, wurden ihre eigenen von Thomas, der kleinen Lokomotive betreut. Matthew legte den Kopf auf ihre Schulter. Wie immer rührte sie seine Arglosigkeit, sein kleiner, warmer Körper. Sie setzte sich neben Anna und drückte ihr einen Kuss auf die glatte Stirn. Die Kleine starrte wie gebannt auf den Bildschirm, den Daumen im Mund.
»Wo ist Sam?«, fragte Lena.
»Bei einem Bandmeeting. Dieser Pseudomusiker hat angerufen.«
Lena wusste, wen Wendy meinte. Sam hatte sich in Briggsby
Weitere Kostenlose Bücher