Ueber den Himmel hinaus - Roman
das Radio einschalte, frage ich mich, warum andere Bands gespielt werden und wir nicht. Warum sind die Typen von Oasis Millionäre, während ich Salat verkaufe? Wir sind gut, Britpop ist in, das Timing ist perfekt.« Er grinste verlegen. »Ich klinge bestimmt wie ein totaler Spinner.«
»Nein, du klingst wie jemand, der leidenschaftlich gern Musik macht. Das habe ich immer an dir bewundert.« Sie zerzauste ihrem umwerfend attraktiven Popstar-Gatten das lange Haar.
»Ich tue das alles bloß für dich, Lena.« Er küsste ihre Hand. »Du sollst in einem schönen großen Haus wohnen und ein schnelles Auto haben.«
Lena hätte ihm gern gesagt, dass sie das alles gar nicht brauchte. Dass sie glücklich war, solange sie mit ihm und den Kindern zusammen sein, mit ihm alt werden konnte. Doch das wäre gelogen gewesen.
KAPITEL 22
Benommen vor Glück schlenderte Sofi über den Markt, blieb an einem Blumenstand stehen und kaufte einen duftenden Strauß Lilien. Beim Bezahlen lächelte sie zu breit und ließ die französischen Worte, die man an sie richtete, über sich hinwegspülen, ohne sie im Kopf zu übersetzen. Sie war viel zu aufgekratzt. Sie häufte alles, was frisch und reif und lecker aussah, in ihren Weidenkorb - Kürbis, Spargel, Zucchini, Maiskolben, ein herrlich riechendes Bündel Basilikum, ohne zu wissen, was sie kochen wollte. Ein Festmahl jedenfalls. Sie kaufte eine in Papier gewickelte Stange Baguette beim Bäcker, griff zögernd nach einer Flasche Chinon. Für Julien; sie selbst konnte keinen Wein trinken.
Als sie in der Früh zu ihrer langen Fahrt aufgebrochen war, hatte sie noch nicht geahnt, welche Freuden dieser Tag bringen würde. Sie fuhr nicht gern Auto, aber der Inhaber einer Boutique in Tours, einer ihrer besten Abnehmer, hatte angerufen und um Nachschub gebeten. Er verkaufte exklusive, handgemachte Kleidung an reiche Ehefrauen und den einen oder anderen französischen Filmstar. Also hatte Sofi ihr Lager geplündert und sich ins Auto gesetzt. Nicht zum ersten Mal war ihr der Gedanke gekommen, jemanden einzustellen, der ihr einen Tag pro Woche zur Hand ging.
Nach dem Besuch in der Boutique hatte sie sich in ein Café gesetzt, doch seltsamerweise hatte sie keine Lust auf Kaffee verspürt, im Gegenteil. Zuerst hatte sie gar nicht daran gedacht; schließlich probierten sie es erst seit etwa einem Monat. Dann hatte sie zu rechnen begonnen und war schnurstracks in die nächste Apotheke gegangen, um einen Schwangerschaftstest zu kaufen. Sie hatte um den Schlüssel zur Toilette für die Angestellten gebeten, und nach zwei
Minuten hatte sie das Ergebnis: zwei Striche. Einer dick, der andere dünner, aber eindeutig zwei. Am liebsten wäre sie gleich zur nächstbesten Telefonzelle gerannt, um Mama, Natalja und Lena anzurufen, und unter Freudentränen »Ich bin schwanger!« zu rufen, aber natürlich musste es Julien als Erster erfahren. Daher das Festmahl.
Die Schatten wurden bereits länger, als sie über die gepflasterte Rue des Gaulthiers nach Hause ging. Wolkenstreifen zierten den Himmel, es roch nach Regen. Ihre Katze Mascha empfing sie laut miauend an der Haustür.
»Was ist los, Mascha?«, Sofi schlüpfte aus ihrem Sommermantel und hängte ihn hinter die Tür. »Hat Julien wieder vergessen, dich zu füttern?«
Das gemütliche Wohnzimmer war wie die weiß getünchte Küche mit ihren fleckigen Messinghähnen ordentlich und leer. Sie knipste das Licht an. Keine einzige schmutzige Kaffeetasse, kein Teller auf der Anrichte, nicht ein Krümel auf den hellen Fliesen oder dem karierten Teppich. Alles war genau so, wie sie es morgens verlassen hatte. Julien musste wieder einmal durchgearbeitet haben. Nicht selten hatte er beim Malen so viele Einfälle, dass er mit dem Pinsel kaum Schritt halten konnte. Sie hatte gelernt, ihn in solchen Phasen in Ruhe zu lassen. Doch heute war eine Ausnahme, und irgendwann musste er ja etwas zu sich nehmen.
Sie packte ihre Einkäufe aus, stellte die Lilien ins Wasser und begann mit dem Kochen. Nach einer Viertelstunde ertönte aus der Stereoanlage hinter ihr amerikanischer Jazz. Seine Lieblingsmusik. Julien schlang die Arme um sie und küsste sie auf den Hals.
»Was kochst du?«, fragte er auf Englisch. Sie hatten die Sprache teils aus Gewohnheit beibehalten, teils, weil Sofi
das Französische anstrengend fand, als wäre ihr Gehirn mit zwei Sprachen bereits mehr als ausgelastet.
»Quiche. Ich habe auch Wein besorgt.«
Er nahm zwei Gläser aus dem Schrank und schenkte
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