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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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wirr, sein Blick schläfrig.
    „Weil es wahr ist“, sagte er leise. „Und… und weil ich dachte, dass du auch…“
    Seine Augen wirkten so hilfesuchend, so verloren, dass es Olaf an sein Herz griff.
    Er schluckte den Kloß in seinem Hals hinunter.
    „Das geht nicht. Das dürfen wir nicht“, presste er hervor. „Das… das muss dir doch klar sein.“
    Christian sah ihn immer noch an. „Was soll passieren?“, fragte er. „Wir sind beide erwachsen und es muss niemand außer uns erfahren.“
    Olaf biss sich auf die Unterlippe, bis er Blut schmeckte.
    „Du bist nicht erwachsen“, sagte er dann. „Und… und du musst vorsichtiger sein… viel vorsichtiger. Du… du darfst so etwas nicht sagen.“
    Christian zuckte mit den Schultern. „Es ist nicht das erste Mal, dass ich so etwas sage.“
    Olaf fühlte die Welle verletzten Stolzes, den Trotz des Teenagers auf sich zukommen.
    Er schüttelte den Kopf, drängte mit Macht die Bilder von Christian aus seinem Kopf, Bilder von ihm, der sich an andere Männer schmiegte, sie streichelte, ihnen ins Ohr flüsterte.
    „Christian…“ Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Stattdessen sah er ihn nur an, nahm das Bild des Jüngeren in sich auf.
    ‚Oh Gott, er hat recht‘, dachte er bei sich. ‚Ich liebe ihn, habe ihn immer geliebt, mehr als alles andere geliebt.‘
    Olaf schloss seine Augen. ‚Es wird nicht vergehen‘, dachte er weiter. ‚Es wird immer so bleiben, ich werde mich immer nach ihm sehnen. Es ist an mir, etwas dagegen zu tun – meine Verantwortung.‘
    „Olaf!“ Christians Stimme klang schmal und schwach. „Bitte, sei mir nicht böse!“
    Langsam schüttelte Olaf den Kopf. „Ich bin dir nicht böse“, versicherte er ebenso leise, bevor er es wagte, seine Augen wieder zu öffnen.
    Christian saß zusammengesunken auf der anderen Seite der Couch neben ihm, verloren und allein, ein Kind auf der Suche nach Zuneigung.
    Olaf streckte die Hand nach ihm aus. „Das bin ich nicht – wirklich nicht“, sagte er und als Christian die entgegengestreckte Hand ergriff, zog er ihn näher zu sich, bevor er darüber nachdenken konnte.
    „Das bin ich wirklich nicht“, wiederholte er unnötig und beobachtete, wie Christians Wimpern erzitterten, wie sich seine Augen dankbar schlossen.
    Er zog den Jüngeren näher, noch näher an sich, wollte nur seine Wärme spüren, ihm von seiner eigenen Wärme abgeben, ungeachtet der Konsequenzen, ungeachtet allem, was es bedeuten konnte, was passieren würde, wenn er diesem Wunsch nachgab.
    In diesem Moment schellte die Türglocke.
    Alarmiert fuhren sie auseinander. Ihre Blicke trafen sich – erschrocken und weit - bevor Olaf sich räusperte.
    Seine Glieder waren taub, seine Muskeln eingeschlafen, seine Sinne vernebelt.
    Durch den Dunst drang lediglich die Erkenntnis, dass der Laut etwas unterbrochen hatte, dass sie kurz vor einem Ereignis standen, dass sie nie wieder hätten zurücknehmen können.
    Und zugleich drang die Erkenntnis der Enttäuschung zu ihm, einer unangenehmen Wahrheit, die ihn zugleich schuldig und erleichtert zurückließ.
    Er schwankte kurz, nachdem er sich erhoben hatte, nahm aus den Augenwinkeln wahr, dass Christian sich an die Ecke der Couch zurückgezogen und ebenfalls erhob.
    Die Erleichterung, die ihn durchdrang, überwog vor allen anderen Gefühlen.
    Christian war sicher – es war nichts geschehen, das Olaf sich zum Vorwurf machen müsste.
    Er ging zur Tür, beschleunigte seinen Gang, als es ein zweites Mal ungeduldig läutete.
    Erstarrte, als er öffnete, sich dennoch bewusst, dass er es eigentlich hätte vorausahnen müssen, dass dieser Besuch alles andere als eine Überraschung war.
    „Mama, Paps!“ Obwohl Olaf Christians Gesicht nicht sehen konnte, während er gebannt auf die Gestalten ihrer Eltern blickte, vermeinte er doch das scharfe Einsaugen des Atems hinter sich zu hören, und gleichzeitig einen verräterischen Luftzug, der ihm verdeutlichte, wie rasch der Jüngere sich fort duckte.
    Nicht dass es ihm weiterhalf, denn der strenge Blick Hannibals hatte Christian sofort erspäht.
    „Christian!“ Das Wort durchschnitt den Raum und Olaf zuckte zusammen, trat unwillkürlich einen Schritt zur Seite, versperrte dem Vater die Sicht.
    Das war der Moment, in dem dieser auch ihn wahrnahm.
    „Olaf!“, sagte Hannibal herrisch. „Gut, dass du uns angerufen hast.“
    „Ihr… ihr hättet nicht vorbeizukommen brauchen…“, stammelte Olaf, immer noch verunsichert. „Wenn ihr mir gesagt

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