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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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viele Worte über Carola, doch die wenigen, die er aussprach, handelten von Verpflichtung und Verantwortung.
    „Allerhöchstens ein halbes Jahr wird es dauern“, stellte Hannibal fest und hob sein Glas an die Lippen.
    „Ich erwarte von dir, dass du aus der Schließung und dem Verkauf den höchstmöglichen Gewinn herausschlägst.“
    Olaf schüttelte den Kopf. „Du weißt, wie die Lage auf dem Markt aussieht. Wie es in unserer Branche aussieht. Es ist unumgänglich, neue Wege einzuschlagen.“
    Hannibal schnaubte. „Unsinn. Der ganze Schnickschnack mit dem experimentiert wird, verschwindet in der Versenkung, noch bevor man davon gehört hat.“
    „Wir würden uns unabhängig machen von traditionellen Treibstoffen. Die Verstrickungen, von denen du gesprochen hast, verlieren an Bedeutung“, konnte Olaf nicht verhindern, seine Gedanken auszusprechen.
    Hannibal stürzte sein Getränk hinunter.
    „Rede nicht über etwas, von dem du nichts verstehst. Du wirst tun, was ich dir sage, und sehr bald erkennen, dass ich damit recht habe.“
    Er begutachtete Olaf von oben bis unten. „Und gerade nach dem, was du dir geleistet hast, solltest du keine großen Töne spucken.“
    „Ich…“ Olaf verstummte.
    „Mir ist nicht klar, was ihr für ein Problem habt“, stieß der Vater wütend hervor. „Aber ich gehe seit langem davon aus, dass du diese Frau heiraten wirst. Und sie dachte offensichtlich ebenso. Also mach Nägel mit Köpfen und legalisiere die Beziehung, baue dir etwas auf, verdiene das Vertrauen, das wir in dich gesteckt haben.“
    Olaf senkte seinen Blick.
    „Das… liegt nicht in meiner Hand.“
    „Blödsinn!“, polterte Hannibal. „Und ob das in deiner Hand liegt. Geh hin und schnapp sie dir. Schaff aus der Zweigstelle den größtmöglichen Profit beiseite und dann kommst du in die Firma und arbeitest dich ein.“
    Er verfiel in Schweigen und Olaf presste die Lippen zusammen.
    Die dargestellten Aussichten türmten sich mit einem Mal bedrohlicher und unangenehmer vor ihm aus, als er bislang angenommen hatte.
    Kurz flogen seine Gedanken zu Christian, der förmlich in seinem Autositz geschrumpft war, je näher sie dem Haus gekommen waren.
    Und spürte er selbst, wie ihm das Herz schwer wurde, beim Anblick des Gebäudes, so ahnte er, dass es sich nur um einen Bruchteil der Gefühle handelte, die seinen Bruder heimsuchten, der soviel länger dort ausgeharrt hatte.
    Christian war sofort, kaum dass sie angekommen waren, von ihrer Mutter in Beschlag genommen worden, während Hannibal Olaf zu einem geschäftlichen Gespräch befahl.
    ‚Besser gesagt zu einem Vortrag oder einer Ansammlung von Kommandos‘, dachte Olaf sich im Stillen und errötete fast aufgrund der Ungehörigkeit seiner Vorwürfe.
    Warum nur fiel es ihm immer wieder so schwer, in dem Vater etwas anderes zu sehen, als den uneingeschränkten Patriarchen, der jede Macht und jede Entscheidungsgewalt für sich beanspruchen durfte. Als wäre er selbst nicht mittlerweile auch ein erwachsener Mann geworden, in der Lage, sich selbst zu bestimmen und sein Leben.
    Und doch, je länger er dort neben ihm stand, desto kleiner fühlte Olaf sich, desto unscheinbarer und unbedeutender kam er sich vor. Und dafür hasste er sich selbst.
    Olaf schluckte und zwang sich, seinen Blick auf Hannibal zu richten.
    Dieser starrte ihn ebenfalls an, abschätzig, und verächtlich. Mehr als deutlich war das Ausmaß, in dem er ihn enttäuscht hatte, und trotz allem besseren Wissens, all den Gründen, die Olaf sich bemühte vor sich selbst zumindest aufrecht zu erhalten, spürte er doch, dass er in seines Vaters Augen zu dem Versager geworden war, der zu werden er immer vermieden hatte.
    „Es ist spät“, sagte Hannibal. „Wir klären den Rest morgen.“
    Er drehte sich zum Fenster. „Geh deinen Bruder suchen. Wie ich ihn kenne, hat er sich wieder irgendwo verkrochen. Hol ihn zum Essen und sorg dafür, dass er sich benimmt. Wir haben Gäste.“
    Olaf schluckte die Erwiderung herunter, die ihm auf der Zunge lag, nickte nur und verließ den Raum.
    Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, entließ er die Luft, die er angehalten hatte, aus seinen Lungen.
    Olaf fand Helena im Wintergarten. Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und er bemühte sich nicht zurückzuweichen, als der strenge Duft nach teurem Parfum durchmengt mit Sherry-haltigem Atem seine Sinne traf.
    „Wie geht es dir, mein Lieber“, flötete sie, doch ihr Blick blieb auf einen Punkt hinter ihm

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