Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Theaterluft. Liam atmete den Duft, schmeckte ihn noch, nachdem sich ihre Lippen voneinander gelöst hatten. Nathan fühlte sich an, wie Liam ihn sich vorgestellt hatte. Fest, aber doch anschmiegsam. Liam ahnte Sehnsüchte und Verlangen in diesem einen, kleinen Moment und er verharrte mit geschlossenen Augen. Als er die Augen aufschlug, sah er, dass Nathans noch geschlossen waren, erkannte an den bebenden Wimpern, an dem Ausdruck in Nathans Gesicht, an dem raschen Heben und Senken seines Brustkorbes, dass der mehr wollte, sich mehr wünschte. Dass er dasselbe ersehnte, wie Liam.
Als habe er es nicht gewusst. Liams Mundwinkel umspielte ein Lächeln, als er vorsichtig zwei Finger unter Nathans Kinn legte, sein Gesicht anhob.
„Ist das in Ordnung für dich?“, fragte er leise und beobachtete, wie die Augenlider Nathans flatterten.
„Ja“, flüsterte Nathan als Antwort. „Das ist es.“ Um seine Mundwinkel zuckte es ebenfalls. „Das ist es wirklich.“
Ende
Berührung
Sie berührten sich oft. Lange war das Janine nicht aufgefallen. Erst als Simon, halb im Scherz, halb mit Ernst begann, seine Bemerkungen fallen zu lassen, da erkannte auch Janine, dass seine Beobachtungen keineswegs übertrieben waren.
Simon war der Clown am Set, immer hatte er einen Scherz auf den Lippen und darin lag wohl auch der Grund, dass niemand sein Geplänkel wirklich ernst nahm.
Zudem kannten sie alle Calvin, kannten dessen Art. Er umarmte alles und jeden, und mit besonderer Vorliebe seine Kollegen. Als müsse er sich mit jedem verbünden, ein auch körperliche Bindung aufbauen, der ihm in einer Szene zuspielte, so küsste, knuffte oder fuhr er demjenigen durchs Haar, ob derjenige dies nun gut hieß oder nicht.
Es war der Preis dafür, dass er sich wohlfühlte. Und wenn Calvin sich wohlfühlte in seinem Spiel, dann agierte er brillant, einer Oskar-Nominierung würdig, so zumindest die Zeitungen. Wenigstens die Zeitungen, die sich mit einer durchschnittlichen Fernsehserie wie der Ihren beschäftigten.
Obwohl es auf das Ensemble ankam, so gab es doch kaum einen Zweifel, dass Calvins Talent die Show in die erste Riege katapultieren konnte, ließe man ihm genug Freiraum. Doch soweit war es noch nicht. Sein Charakter war wichtig, unbestritten. Ebenso wichtig wie der Kevins.
Dabei begann alles mit der Konzentration auf Kevins Rolle, seine Entwicklung, sein Schicksal. Doch nur nach wenigen Folgen konnten Drehbuchautoren ebenso wenig wie verantwortliche Produzenten die Dynamik übersehen, die beide Schauspieler aus dem Nichts heraus kreierten. Sie reagierten und gebaren neue Handlungsstränge, neue Ideen, überraschende Wendungen.
Und Kevin wuchs über sich hinaus, seine Fähigkeiten überstiegen rasch alles, was er bislang gezeigt hatte. So erstaunte es niemanden, der die beiden zusammen erlebte, dass der Jüngere stets nur in den höchsten Tönen und voller tiefer Bewunderung von Calvin sprach. Sie ergänzten sich und die Freundschaft, die sich entwickelte, kam natürlich und fließend, unvermeidlich.
Vielleicht lag es auch am Altersunterschied, am Mangel kollegialen Neides oder einfach an dem lockeren Umgang beider Darsteller mit dem plötzlich eintretenden Erfolg, dass es keinerlei Misstöne gab, dass beide in Interviews den anderen über das werbetechnisch notwendige Maß hinaus lobten und verehrten.
Für Janine war es ihre erste Rolle, ihre erste größere Rolle. Sie war jung und neu in dem Geschäft, mehr durch Zufall dazu gekommen, als durch ihren Ehrgeiz. Und trotzdem liebte sie es, liebte die Schauspielerei, liebte die Spannung, die Konzentration, das Abrufen höchster Leistungen unter Zeitdruck mehr als alles andere, was sie bislang versucht hatte.
Ihre ersten Schritte als Modell ließen sich besser verwerten, als ihre Agentin geglaubt hatte und so stieg sie rasch zu einer der beliebtesten Charaktere der Serie auf. Nicht von ungefähr und mit Sicherheit hilfreich war die Tatsache, dass sie dazu erkoren war, die große und heimliche Liebe für Kevins Charakter darzustellen. Ein Umstand, der ihr sehr entgegenkam, musste sie doch zugeben, einen schwachen Punkt in sich zu bemerken, jedes Mal, wenn Kevin auf sie zukam.
Auch aus diesem Grund machte ihr Herz einen ordentlichen Sprung, als sich dieser ihr eines Abends nach Drehschluss näherte.
Janine bemerkte den hilfesuchenden Blick und das darauf folgende, beinahe unmerkliche Nicken, mit dem Calvin Kevin antwortete, obwohl er sich gerade im Gespräch mit der Regieassistentin
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