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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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was du meinst.“
    Kevin lehnte sich mit einem Seufzer zurück und fuhr sich durch das dunkle Haar. Dann erst wieder sah er sie an.
    „Ich… ich liebe Calvin“, sagte er.
    „Ach.“ Janines Mund klappte auf.
    „Ich liebe ihn“, wiederholte Kevin. „Und er liebt mich, wir lieben uns. Wir… wir sind ein Liebespaar.“
    Janine spürte, wie verlegene Röte ihr Gesicht überzog und sich gleichzeitig eine vage Übelkeit in ihrem Bauch ausbreitete. Das verlief definitiv nicht so, wie sie es sich erhofft hatte.
    „Und… und warum erzählst du mir das?“, brachte sie mit Mühe hervor. Ihr Mund war plötzlich trocken und sie griff nach ihrem Wein, trank einen großen Schluck.
    Als sie wieder aufsah, kam es ihr vor, als habe auch Kevins Gesicht eine rosa Tönung angenommen. Der Gedanke an seine Verlegenheit in Zusammenspiel mit der Wärme, die der Wein in ihrem Inneren verursachte, hob Janines Stimmung ein wenig und sie fürchtete beinahe, in Kichern auszubrechen. Eine Reaktion, die ihr dann doch nicht angemessen erschien, zumal sie den Anflug einer aufkommenden Enttäuschung auch nicht unterdrücken konnte.
    „Ich meine… warum bist du dann mit mir ausgegangen?“, fragte sie.
    Kevin seufzte und blickte ihr direkt in die Augen. „Kannst du es dir nicht vorstellen?“
    Langsam nickte Janine. „Calvin ist verheiratet“, murmelte sie dann. „Er… er wird sich wohl nicht scheiden lassen?“
    Kevin schüttelte den Kopf. „Das… das würde ich auch nicht wollen“, gab er zu und senkte den Blick. „Nicht wirklich.“
    „Und ihr… und jetzt braucht ihr eine Ablenkung?“, riet Janine. „Einen Aufhänger für die Presse, damit das Offensichtliche nicht zu offensichtlich ist?“
    Kevin stöhnte. „Du weißt, wie das Studio denkt über… über…“
    „Gleichgeschlechtliche Liebe?“, fragte Janine. „Bei mir fänden sie es gut.“
    Sein schiefes Lächeln blitzte auf, als Kevin antwortete. „Das ist bei Frauen immer noch ein wenig anders.“
    Janine nahm noch einen Schluck. „Ich denke, ich fange an zu verstehen.“ Sie konnte es nicht verhindern, dass Bitterkeit in ihrer Stimme mitklang. „Die Show gestern war ein Test, ob es funktioniert. Und nachdem die Presse angesprungen ist, dachte Calvin, es sei an der Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen.“
    „Das war nicht Calvins Idee“, entschlüpfte es Kevin in härterem Tonfall, als beabsichtigt. „Er… ich denke, er würde es sogar öffentlich machen… wenn… wenn seine Frau nicht wäre und er ihr nicht wehtun wollte.“
    Janine schnaubte. „Da kommt er jetzt drauf?“
    Kevins Blick traf den ihren und wirkte nun so flehentlich, dass Janine nicht anders konnte, als sich zu fragen, wer eigentlich den dominierenden Part in dieser Beziehung einnahm. Und Kevins folgende Worte bestätigten ihre Vermutung.
    „Ich könnte es nicht ertragen, wenn… wenn alle Bescheid wüssten“, gab er gequält zu. „Nicht nur wegen…“ Er vollführte eine ungenaue Handbewegung, sank dann, wenn überhaupt möglich, noch tiefer in sich zusammen.
    „Ich kann es einfach nicht… es geht nicht. Nicht jetzt… nicht zu diesem Zeitpunkt.“
    „Und ich… ich soll deine Freundin spielen?“
    Janine holte tief Luft, bemühte sich den Schmerz fort zu atmen, der in ihr aufstieg.
    „Nein.“ Kevin sah wieder auf. „Nicht nur spielen.“ Er biss sich auf die Unterlippe und sah sie so unglücklich an, dass sie fast gerührt war. „Ich… ich möchte wirklich mit dir zusammen sein.“
    „In der Öffentlichkeit… auf Premieren…“, ergänzte sie fragend.
    „Auch“, gab Kevin zu. „Aber nicht nur.“
    „Du… du möchtest eine Frau, für die Zeit, wenn Calvin mit seiner Familie zusammen ist“, schloss Janine.
    „Ein normales Leben“, sagte Kevin schwach. „Wenigstens so viel davon, wie ich haben kann.“
    Janine schwieg und begriff endlich. Ein normales Leben. Etwas, wovon sie lange nicht mehr bewusst geträumt hatte. Und obwohl sie wusste, dass sie es nie haben könnte, im Grunde ihres Herzens wahrscheinlich auch niemals haben wollte, blieb doch die Illusion, das rahmenhafte Gebilde ein Gerüst, an dem festzuhalten, sie sich wünschte. Ein unterschwelliger Wunsch, einer, der niemals ausgesprochen, nicht einmal in Gedanken formuliert wurde, existierte dennoch, glich er einer Sehnsucht, an deren Unstillbarkeit sie sich gewöhnt hatte.
    „Ein normales Leben“, wiederholte sie laut, aber nachdenklich. „Du sprichst von Premieren, gemeinsamen Auftritten, Gastspielen, wie

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