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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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aus.
    Celine hatte den Urlaub schon vor Wochen gebucht, um den ersten Hochzeitstag mit ihrer Tochter und dem Schwiegersohn zu feiern, nur um den beiden dabei zuzusehen, wie sie urplötzlich abreisten.
    Madeleine konnte ihr so oft sie auch wollte erklären, dass es sich um den wichtigsten Auftrag ihres Lebens handelte, dass diese Chance unvergleichlich, geradezu einzigartig war, und sie selbst Georg gebeten habe, mitzukommen, Celine blieb dennoch davon überzeugt, dass es sich bei dem Mann um die treibende Kraft hinter ihren zerstörten Plänen handelte.
    Sie blieb stehen, betrachtete ihre schicken, doch dem Wetter nicht unbedingt angemessenen Schuhe. Kein Wunder, dass sie kalte Füße hatte.
    Aber schick waren sie. Celine bewunderte deren Spiegelbild und blickte daran vorbei, um zu erkennen, dass sie vor einem Café stand. Kaffee war niemals verkehrt, und so legte sie den Kopf schief und versuchte mehr der Ausstattung zu erkennen, zu entscheiden, ob es ihrem Geschmack zusagte.
    Das tat es nicht. Eigentlich wirkte die Einrichtung viel zu vornehm, viel zu altmodisch, viel zu sehr wie die Einrichtung eines Restaurants, das ihre Mutter gewählt hätte.
    Und doch ging Celine nicht daran vorbei. Und das lag schlicht und einfach dem Anblick, der sich ihr bot. Durch das Fenster, durch das spiegelnde Glas starrte eine Frau sie an, aufmerksam, sprungbereit, in ihrer Erscheinung an ein Wesen auf freier Wildbahn, an eine Gazelle erinnernd.
    Celine versuchte zu lächeln, oberflächlich, beiläufig, so wie es ihre Art war, rasch mit vielen Worten, Gesten und Mienen um sich zu werfen. Zumeist erhielt sie daraufhin die Reaktion, die sie sich wünschte, erkannte spontan, wie ihr nächster Schritt aussehen sollte.
    Doch dieses Mal gelang ihr das nicht. Dieses Mal war sie gefesselt.
    Die Frau war schön. Ihr blondes Haar fiel schlicht und glatt an den Seiten des schmalen Gesichtes herab. Sie war in Celines Alter, vielleicht ein wenig jünger.
    Ihre Augen saßen schräg in dem hellhäutigen Gesicht, und obwohl Celine deren Farbe nicht erkennen konnte, war sie doch davon überzeugt, dass auch diese einen hellen Ton trugen.
    Die Frau war schön. Und sie starrte Celine an, gerade, intensiv, beinahe, als wollte sie etwas von ihr, als erwarte sie eine Reaktion, ein Ereignis, etwas andere, als Celine, die still und bewegungslos, wie gelähmt vor dem Fenster stand, und zurücksah.
    Ihre Mundwinkel sanken herab und ihre Augenbrauen hoben sich in einer stummen Frage.
    Angestarrt zu werden war eine Sache, Celine war das gewohnt, es gehörte zu ihrem Job an der Rezeption.
Dennoch war dieser Blick anders, mehr als intensiv, eher prüfend, fragend und in stummer Erwartung.
    Aber Celine war keine Frau, die sich mit ungelösten Fragen zufrieden gab. Schon gar nicht, wenn diese Frage in einer derart hübschen Verpackung vor ihr stand.
    Sie nickte der Blonden zu, als verstünde sie worum es dieser ginge, und begab sich entschlossen zum Eingang des Cafés.
    Kaum bemerkte sie, wie sich die Augen der Frau weiteten. Kaum spürte sie den Luftzug hinter sich, oder hörte das Quietschen der Reifen, die gerade neben dem Gehsteig bremsten, als sie auch schon umgerissen wurde, zur Seite gestoßen, während die Hölle losbrach.
    Schüsse fielen, Glasscheiben splitterten, schrille Schreie gellten schmerzhaft in Celines Ohren, als sie instinktiv und noch im Verlauf des Sturzes die Arme hochriss, um ihr Gesicht zu schützen.
    Unsanft prallte sie auf das harte Pflaster, unabsichtliche Tritte beschlagener Stiefel trafen sie, bis Celine sich auf ihren Knie und Ellbogen zusammenkauerte, während Scherben und Schreie über sie hinwegfegten. Sie wagte es kaum, Luft zu holen, wagte nicht aufzusehen. Auch dann nicht, als Stille einkehrte.
    Unerwartet fiel die herab, erstickte jeden Versuch, sich zu erheben, auch nur aufzusehen.
    Celine kauerte, bis sie eine kühle Hand auf ihrer Schulter spürte.
    „Geht es Ihnen gut?“ Eine Frauenstimme, klangvoll und gleichzeitig entschieden, drang an Celines Ohr.
    „Ja“, flüsterte sie, und fühlte sich selbst von der Unsicherheit in ihrer Stimme überrumpelt.
    Das war nicht sie, nicht die Celine, die in jeder Situation und für jeden Fall ein keckes Wort parat hatte.
    Sie sah auf, und blickte in die aufmerksamen, schrägen Augen der Frau, die sie zuvor durch die Scheibe bemerkt hatte.
    Edwina beobachtete die Frau, die langsam ihren Kopf hob und um sich blickte.
    Für einen Augenblick nur, für einen Moment hatte sie geglaubt, dass

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