Ueber den Horizont hinaus - Band 1
schief, griff nach einer ihrer dunklen Locken und zwirbelte die zwischen ihren Fingern.
„Warum sollte es mich stören?“, wiederholte sie, und diesmal erwiderte Edwina ihr Lächeln, bevor sie ihre Hand hob, und Celine sanft über die Wange strich.
„Das hatte ich gehofft“, sagte sie. „Wirklich gehofft.“
Ende
Gedanke
Die Wellen plätscherten gegen den Bootsrumpf, und doch schlingerte das Schiff nicht mehr so stark, wie es Aaron bislang vorgekommen war.
Vielleicht beruhigte die See sich gegen Abend.
Vielleicht gewöhnte er sich auch nur so langsam an das ständige Auf- und Ab, die permanenten Bewegungen, die dem Mensch, der sich entschieden hatte, längere Zeit auf dem Meer zu verbringen, zwangsläufig vertraut werden mussten, wollte er nicht in ihrem Verlaufe dem Wahnsinn verfallen.
Der Sonnenuntergang war traumhaft schön, auch wenn es sich lächerlich oder gar kitschig anhörte, dies zuzugeben.
Kein Geräusch, außer den beruhigenden Tönen, die das Wasser verursachte, und dem gelegentliche Knarzen des Bootes störte die Stille, einen Frieden, an dessen Existenz Aaron sich kaum noch erinnern konnte.
Seit Jahren hatte er nicht mehr diese Ruhe gespürt. Und seit Jahren nicht mehr diese Einsamkeit.
War das nicht der Grund für ihn gewesen, hinaus zu segeln? Einmal fortzukommen von all dem Trubel, dem Chaos in seinem Leben, der Verwirrung, die seine Tage bestimmten.
Einmal nachzudenken, über sein Leben, über die Zukunft, über die Situation, in die er sich katapultiert hatte, Hals über Kopf und ohne nachzudenken, so wie er Zeit seines Lebens gewohnt gewesen war zu handeln.
Aber er war nicht mehr dieser junge Mann, der sich nach einem Stolpern wieder fangen konnte, der einen Schlag wegsteckte, und sich vom Boden wieder aufrappelte, sollte es nötig sein.
Er war erwachsen geworden, Himmel – er war vierzig Jahre alt.
Ein Alter, in dem man eigentlich wissen sollte, was man wollte, was man erwartete.
Ein Alter, in dem Weichen gestellt, in dem nicht mehr viel existierte, das überraschen konnte, in dem die wichtigen Entscheidungen längst getroffen waren.
Und er hatte diese Entscheidungen getroffen, schon vor Jahren. Als es richtig war, als es an der Zeit war, als er sie treffen musste, um weiter zu kommen im Leben.
Er hatte geheiratet, und es niemals bereut.
Fast nie bereut.
Nathalie war die perfekte Partnerin. Sie stand an seiner Seite, unterstützte ihn, wann immer es notwendig war, und ließ ihm doch seinen Freiraum, erlaubte ihm die Momente des Rückzuges, die er brauchte. Momente wie diesen hier auf See.
Und Momente, die er mit jemand anderem teilte, mit einem anderen Menschen.
Nathalie hatte von Anfang an gewusst, dass sie ihn nicht würde halten können. Sie hatte von Anfang an gewusst, dass er nicht monogam war, dass er anders war, dass er Abwechslung brauchte.
Und er hatte ihr im Gegenzug versprochen, die Dinge, die er brauchte, von ihr fernzuhalten. Von der Öffentlichkeit fern zu halten.
Nicht nötig, sie bloßzustellen. Nicht nötig, sich selbst ins Gerede zu bringen. Nicht mehr als unbedingt notwendig. Nicht in seinem Beruf. Und nicht in ihrem Beruf. Und schon gar nicht in Hinblick auf ihre gemeinsamen Kinder.
Er war ein guter Vater. Er versuchte es zumindest. Soweit man ein guter Vater sein konnte, wenn man 360 Tage im Jahr unterwegs sein musste, und Freizeit ein Fremdwort blieb.
Auf jeden Fall bot er seinen Söhnen Halt. Er kümmerte sich um sie, wurde nicht müde, ihnen zu versichern, dass er für sie da war, wann immer und aus welchem Grunde auch immer sie ihn benötigten.
Sie sollten das Wichtigste in seinem Leben sein. Nathalie sollte das Wichtigste in seinem Leben sein.
Doch sie waren es nicht, und sie – Nathalie – war es auch nicht. Nicht mehr.
Nicht mehr seit er ihm begegnet war.
Aaron sah auf das Meer hinaus. Auf die Dunkelheit, die sich über das Wasser senkte, die Farben des Sonnenunterganges verschluckte.
Vielleicht – wenn er ihn früher getroffen hätte. Vielleicht – wenn er ihm begegnet wäre, bevor er Nathalie begegnete. Bevor er die Verantwortung für Kinder, für eine Familie auf seinen Schultern trug.
Vielleicht sähe es dann anders aus.
Vielleicht wäre alles einfacher.
Und doch wusste Aaron, besser als er sich zugestehen wollte, dass dem nicht so war. Es wäre nie einfacher.
Er hätte sich verhalten, wie er sich bei jedem Mann zuvor verhalten hatte, sich in ein Verhältnis gestürzt, von dem sie beide wussten, dass es sein
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