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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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war er gebannt von den trotz aller Müdigkeit, Erschöpfung und Rötungen, die sie umgaben, immer noch ausdrucksvollsten Augen, die er je gekannt hatte.
    Arthur bewegte seine Lippen und nun fiel es Matthias ein, auf dessen Worte zu hören, die zuvor im Strom der durcheinander wirbelnden Gefühle und Gedanken untergegangen waren.
    „Da gibt es nichts, was dir leid tun müsste“, verstand der Jüngere schließlich und bemerkte, dass Arthur die Stirn runzelte, als er ihn weiter ansah.
    „Ich bin erbärmlich. Und du hast recht damit, deinen eigenen Weg zu gehen. Du hattest recht damit, dich von mir abzuwenden.“
    Matthias schüttelte den Kopf. Plötzliche Trauer erfüllte ihn, drückte sein Herz zusammen. „Ich habe mich nicht von dir abgewandt“, stritt er schwach ab, doch ein leises Lächeln, das über Arthurs Gesicht huschte, zeigte ihm, dass er den anderen nicht täuschen konnte.
    „Ich meine, ich wollte nie, dass es so aussieht …“, versuchte er leise, verstummte jedoch, als ihm unmittelbar klar wurde, wie sehr diese Worte den Teil seines Charakters präsentierten, auf den er wenig stolz war.
    „Ich habe nicht geglaubt, dass ich dich verletze“, sagte er müde.
    Arthur lächelte nun tatsächlich und Matthias‘ Augen weiteten sich.
    „Das hast du auch nicht“, erwiderte der Ältere schließlich und schüttelte leicht den Kopf. „Das habe ich selbst geschafft“, fuhr er dann fort und faltete seine Hände im Schoß.
    Sein Blick sank von Matthias‘ Gesicht und landete auf den verschlungenen Fingern, die er zu betrachten begann, als sähe er sie das erste Mal.
    „Ich weiß sehr gut, wie das Spiel läuft“, führte Arthur dann aus. „Es gibt wirklich keinen Grund, dass du dir Vorwürfe machst.“
    Er zuckte mit den Schultern. „Manchmal muss man sich eben richtig in Schwierigkeiten bringen, um dann den Weg heraus zu suchen.“
    Er legte seinen Kopf schief, nicht ohne die Augen immer noch auf seine Hände gerichtet zu lassen. „Das lenkt ab und man läuft nicht Gefahr, sich mit wirklich Wichtigem auseinanderzusetzen.“
    Matthias öffnete den Mund. Er wollte etwas sagen, doch wusste nicht, was es sein sollte. Auch verstand er nicht vollkommen, wovon Arthur sprach. Nein, eigentlich verstand er gar nichts davon.
    Aber selbst das war nun ohne Bedeutung. Denn in diesem Moment erkannte Matthias, dass er sich geirrt hatte. Er erkannte, dass er nicht mehr wütend war. Oder vielmehr, dass seine Wut nur ein Ventil darstellte.
    Er sah mit plötzlicher Klarheit, was ihn wirklich in dieses Haus, in dieses Viertel geführt hatte.
    „Du hättest tot sein können“, flüsterte er, als käme die Möglichkeit ihm jetzt erst in den Sinn. „Du hättest einen Unfall haben können und dich verletzen.“
    Arthur zog die Augenbrauen zusammen, stöhnte nur leicht. „Ich bin ein guter Fahrer“, meinte er beiläufig.
    „Rede keinen Unsinn!“ Da war sie wieder, die Wut. Sie flackerte erneut auf, aber dieses Mal vermischte sie sich mit einer Emotion, die Matthias weitaus tiefer traf.
    Und mit einem raschen Schritt stand er vor Arthur, lehnte sich zu ihm vor, packte ihn am Kragen und zerrte ihn hoch, bis der Ältere unsicher, und doch aufrecht vor ihm stand.
    Nah vor ihm, sehr nah. Nah genug, dass Matthias den Whiskey roch, das Bier, die Zigaretten, das Erbrochene, all die Gerüche, die er verabscheute und die ihm zugleich das Herz brachen.
    Er schüttelte Arthur mit beiden Händen in dessen Shirt. „Du könntest tot sein. Und was dann?“
    Arthur keuchte, als er versuchte, sich zu befreien.
    „Bist du verrückt geworden?“, ächzte er. „Was soll das werden?“
    Matthias ließ ihn los und Arthur taumelte zurück, bis die Innenseiten seiner Knie gegen das Sofa stießen.
    Wider Erwarten hielt er sich aufrecht, fuhr sich nur mit dem Handrücken über den Mund und starrte Matthias an, der mit nun hängenden Schultern und Armen unbeweglich vor ihm verharrte.
    „Ich habe nicht daran gedacht, dass du dich in Gefahr bringen könntest“, sagte Matthias dann leise, fast ein wenig verwundert. Erst dann sah er auf, suchte Arthurs Blick. „War es das? Wolltest du dich umbringen?“
    Arthur zuckte zusammen. Ob es nun an der Offenheit in Matthias Blick oder in seinen Worten lag, spielte keine Rolle, für keinen von ihnen.
    „Nein, natürlich nicht“, antwortete Arthur schnell, fast ein wenig zu schnell, so dass er sich verpflichtet fühlte hinzuzufügen: „Ich würde nie so etwas tun. Es … ich habe auch keinen Grund dazu,

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