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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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sie den Kahn und starb in dem See.
    Als Blitzwolke nach ihrem Traum die Augen aufschlug, schimmerte ein erstes Dämmern am Himmel, an dem der Mond und die Sterne verblaßten. Das Wasser rauschte im Tal. Noch war niemand wach; auch die Hunde lagen noch zusammengerollt und hatten die Schnauzen im Fell versteckt. Nur eine schmale Gestalt hatte sich aufgerichtet; sie kniete im Gras und band ihre langen und schweren Haare. Da löste sich zwischen Nacht und Dämmer auch drunten am Ausgang der Bucht ein Schatten und kam langsam näher. Die Kniende schien zu erschrecken. Sie beugte sich tiefer und verbarg ihr Gesicht. Der Mann ging langsam, ohne Laut an ihr vorbei und sah dabei auf das Mädchen. Er schritt weiter hangaufwärts zur Höhe, wie ein Berglöwe, der bald zum Sprung ansetzen wird.
    Blitzwolke schloß noch einmal die Lider und wartete geduldig, bis sie geweckt wurde. Es brauchte niemand zu wissen, daß sie nicht mehr geschlafen hatte.
    Auch der letzte Tag verlief in Stille und ohne Geschäftigkeit. Blitzwolke und Eidechse saßen wieder bei Untschida. Die alte Mutter erklärte den Mädchen, daß man in der kommenden Nacht aufbrechen werde.
    Der helle Tag verging. Als die Sonne rötlich dahinschwand und die Amseln ihr Abendlied sangen, war im Lager noch alles tatenlos und unberührt. Die Pferde weideten, und die Hunde liefen umher. Eine graue Wolfshündin leckte ihren Wurf von vier Jungen. Blitzwolke hatte sich schon eines ausgesucht, das sie haben wollte, ein schwarzes. Uinonah hatte es ihr versprochen, wenn Tokei-ihto einverstanden sein würde. Das Mädchen seufzte und streichelte die Hündin. Die ersten Sterne der sechsten Nacht blinkten auf. Der Wind strich vom Stromtal herauf, und das Brausen des Wassers klang in der Dunkelheit lauter.
    Untschida erhob sich von ihrem Platz. Das war das Zeichen, daß alle sich bereit machten. Es wurde kein Wort gesprochen. Die Frauen und Mädchen, die dazu bestimmt waren, nahmen die leichten Boote auf und entfernten sich zuerst in einer langen Reihe zum Tal abwärts. Die übrigen holten mit den Kindern zusammen die Pferde. Die Hunde rannten umher und bellten, denn draußen auf der Prärie und drunten im Flußtal hatten einige Kojoten frech gekläfft. Blitzwolke und Eidechse wußten, daß jene Kojoten die Späher des Stammes waren, die sich ihre Zeichen gaben.
    Die Mädchen holten sich die beiden Dragonergäule und kletterten ohne fremde Hilfe auf die großen Pferde. Folgsam gingen die Tiere in der langen Kette buchtabwärts. Die Hufe plätscherten durch die Pfützen, die das zurückweichende Hochwasser hatte stehenlassen.
    Auf dem Grund des Haupttales stand das Wasser noch tief. Die Frauen, die vorangegangen waren, hatten die Boote schon auf die langsam abfließende Flut gesetzt. Sie luden jetzt das Gepäck ein und paddelten damit zwischen den Hügeln hindurch. Die Reiterinnen blieben noch zu Pferde; das Wasser reichte ihnen bis zu den Füßen.
    Die Hunde verstummten und begannen zu schwimmen.
    Ein reißendes Strömen und das Schillern des fließenden Wassers kündigten den Beginn des eigentlichen Strombettes an. Blitzwolke und Eidechse erkannten in der Dunkelheit eine Gruppe von Kriegern zu Pferd, darunter Tschetansapa auf seinem Beuteschimmel. Die Krieger hielten an dem überfluteten Stromufer.
    Die andere Hälfte der Mannschaft befand sich noch oben am Rand der Prärie bei der Anhöhe in gefechtsbereiter Linie. Vom Feind war nichts zu sehen.
    Blitzwolke und Eidechse waren am Ende des Zuges geritten. Uinonah kehrte mit ihrem Lederfahrzeug über den Strom zurück, um die beiden Mädchen zu holen. Als Schwimmer halfen Tschapa Kraushaar und Antilopensohn.
    Als das Boot Uinonahs mit den Kindern jenseits des Strombettes wieder das fast stehende Schwemmwasser erreichte und nun ohne Mühe zwischen den aufsteigenden Hügeln durchgesteuert werden konnte, begann das Herz Blitzwolkes heftig und hörbar zu schlagen. Sie hatte noch einmal zurückgesehen zu dem verlassenen Hochufer im Süden. Dort wandten die gefechtsbereiten Reiter nun auch ihre Pferde und ritten den anderen nach ins Tal hinab dem Strom zu. Ein einziger aber war zurückgeblieben. Es war nur ein schwarzer Schatten in der Nacht.
    Das Boot glitt weiter, von leisen Schlägen getrieben. Fern, immer ferner wurde das verlassene Ufer. Der Schatten des einsamen Reiters mischte sich immer mehr mit der Dunkelheit.
    Tokei-ihto war allein geblieben.
     
     
     

 
Kampf mit dem Zauberbüffel
     
    Die Bärenknaben und der Späher

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