Über den Missouri
Nachricht zu bringen, was mit mir geschieht. Er ist kein Dakota. Für ihn habe ich den Watschitschun nichts zugesagt.«
»Du zwingst mich, Häuptling. Du hast mich mitgenommen, als ich sterben wollte. Mein Leben gehört dir. Ich schwöre dir, daß ich unsere Zelte hinüberführen werde.«
»Es wird geschehen, was die Geheimnisvolle Kraft will«, schloß der Häuptling. »An dem Mut Tschetansapas hat noch kein Krieger zu zweifeln gewagt.«
Tokei-ihto gab dem falben Hengst den Kopf frei, und das Tier begann zum großen Schlammwasser zurückzulaufen. Der graue Hengst des schweigsamen Donner vom Berge folgte, und in seiner Spur liefen der Schimmel, der
Schecke und der Braune mit ihren Reitern.
Als die Männer in das Lager heimkehrten, ließen sie ihre Mustangs bei der Herde und begaben sich mit Tokei-ihto zusammen zu Hawandschita. Die Schwurpfeife ging von Mund zu Mund. Ihr Rauch hatte den Entschluß der Krieger, in die Fremde zu ziehen, besiegelt, sie bestätigte jetzt das Wort des Häuptlings und den Gehorsam seiner Männer vor Himmel und Erde.
Die Pfeife brannte Chef de Loup in den Händen, als er sie als letzter geraucht hatte und Uinonah zur Verwahrung zurückgab. Er wandte sich, um Tokei-ihto zu folgen, der den Greis wieder sich selbst überließ. Mit gebeugtem Nacken ging Chef de Loup hinter dem Häuptling her. Der Hang war ihm noch nie so steil und die gleißende Mittagssonne noch nie so unerträglich erschienen. Er hatte in der Hitze des Kampfes Tokei-ihtos letzte Patronen verschossen, während dieser über den Strom schwamm, und durch Chef de Loups Schuld mußte sich der Häuptling jetzt mit Pfeilen den Kugeln des Red Fox stellen!
Tokei-ihto blickte seinen Gefährten nicht mehr an, aber er sah die immer noch trockenen, vergeblich wartenden Lederboote und dazwischen die Gruppe der fastenden Frauen und Mädchen. Untschida, Uinonah und Blitzwolke schauten zu dem Häuptling herüber, aber Sitopanaki war scheu und blickte zu Boden. Als es nach vielen Stunden Abend wurde, ging die Fastenzeit der Frauen und Kinder zu Ende. Eidechse lief zu ihrer Mutter, Blitzwolke blieb in Uinonahs Nähe. Die Häuptlingsschwester nahm das Mädchen zu sich in die Schlafdecke; da war es warm für Blitzwolke mitten in der kalten Nacht, und sie schlief tief und fest.
Am Morgen rechnete sie, daß von sechs Nächten eine Nacht vergangen war und daß sie nun in der fünften fahren würde. Das Wasser sank von Tag zu Tag und beinahe schon von Stunde zu Stunde. Die Wiesen kamen aus der Flut heraus, und die Formen des Buchtgrundes wurden deutlich. Naß und aufgeweicht lag das alte braune Wintergras am Boden und stach häßlich ab gegen die aufblühende Flur oberhalb des Bereichs der Zerstörung. Losgerissene Stämme waren angeschwemmt. Einige Frauen schafften die verwesenden Leichen ertrunkener Wildtiere fort.
Das Brausen des wilden Stromes im Haupttale wurde matter und ferner. Als Blitzwolke einmal hinunterlief bis zum Buchtrand, sah sie in dem großen Tal schon die Scheitel der Hügel auftauchen, die das eigentliche Strombett begleiteten. Aber es war ungut, hinunterzusehen in das Tal voll Schlamm und gelben Wassers mit den Leichen der Pflanzen und Tiere. Zwei Tage blieben noch, bis man fuhr.
Blitzwolke saß wieder im Lager und wartete. Sie hätte gern einmal mit Sitopanaki gesprochen und sich von dem Land Jenseits des Mini-Sose erzählen lassen. Auch die fremde Häuptlingstochter war still und traurig und verstand die Sprache der Dakota nicht. Blitzwolke sah jetzt oft hinüber zu diesem Schwarzfußmädchen, das sie noch vor wenigen Tagen in schwärmerischer Eifersucht auf Uinonahs Freundschaft zu hassen geglaubt hatte. Sie liebte die Fremde jetzt, und sie betrachtete sie immer häufiger, doch nur verstohlen, so daß das Schwarzfußmädchen es nicht bemerken konnte. Sitopanaki war sehr stolz und traurig wie der Tod. Vielleicht liebte sie den Häuptling.
Einmal, als es schon Nacht war – und es war die letzte Nacht vor der Fahrt über den Strom –, vernahm Blitzwolke im Traum einen Ton, als ob der Wind über den Gräsern sänge. Es klang wie ein unbekanntes Lied, und das Lied war so zauberisch und sanft, daß das Mädchen nicht erwachen, sondern nur auf das Singen lauschen wollte. Sie lauschte und träumte weiter. Sie träumte von dem Dakotamädchen, das mit dem Kanu hinausgerudert war auf den See, um ihren Geliebten zu suchen. Aber sie fand nur den Köcher seiner Pfeile, der auf dem spiegelnden Wasser schwamm – und da verließ
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