Über den Missouri
Schritts wie siegreiche Krieger hinterher.
Als sie sich dem Ufer des rauschenden Flusses näherten, blieben sie beide wie angewurzelt stehen.
Der Anblick war zu grausig.
Im Weidengebüsch flußabwärts schauten aus dem Nebel zwei irre verdrehte Augen, und die Finger einer dürren Hand spreizten sich neben einem totenbleichen Gesicht. Die Nebel der Dämmerung brauten um die leise wippenden Weidenzweige und ließen die Erscheinung bald auftauchen, bald verschwinden.
»… äh«, brachte Hapedah gepreßt hervor. Dann sprangen die Knaben wie auf Verabredung in das halb vereiste, seichte Wasser, und mit einem großen kühnen Satz über die breite Mittelrinne. Sie hielten nicht eher an, als bis sie vor dem Zelt des Häuptlings standen. Da warfen sie die Schlitten zu Boden, und ohne sich um Uinonah und Mongschongschah zu kümmern, die mit dem Abschaben von frischen Häuten im Freien beschäftigt waren, traten sie schnell ein. Als der vertraute Raum sie umfing, beruhigten sie sich allmählich. Untschida lächelte ihnen entgegen.
Sie setzten sich zu der Alten, die als »heilige Geheimnisfrau« in hohem Ansehen stand, und berichteten ihr mit einer Stimme, in der noch der Schrecken nachbebte, von dem, was sie gesehen hatten. Untschida legte die Arbeit beiseite. »Ich werde gehen und nachsehen.« Sie verließ das Zelt.
Die Knaben atmeten tief auf. Sie liefen hinaus zu ihrer Mutter Mongschongschah, um ihr von der Jagd zu berichten, aber Mongschongschahs Freude war nicht so lebhaft, wie die Jungen erwartet hatten. Sie richtete sich einen Augenblick von ihrer Arbeit auf und schaute ihre Söhne ernst an. »Unsere Späher haben Feindesspuren entdeckt«, sagte sie. »Jenseits des Berges, an dem wir lagern, haben Goldsucher einen Bären getötet und einen angeschossen.« Mongschongschah blickte bei ihren Worten sorgenvoll durch die kahlen Bäume in das verschneite Land hinaus.
»Wir werden weiterziehen müssen«, meinte sie, »und im Schnee werden sehr viele von uns sterben.« Die Mutter beugte sich wieder über ihre Arbeit.
»Wir wollen mit dem Schnee und mit den Langmessern kämpfen«, erklärten die Jungen entschlossen. »Nie mehr gehen wir auf die Reservation zurück!«
Sie schlüpften wieder in das Zelt. Hier waren sie ganz allein. Auch Tschetansapa befand sich nicht mehr auf seinem Lager. Es war dem Verwundeten in den letzten Tagen erheblich besser gegangen. Die Knaben blieben in dem dämmrigen Raum sitzen. Das Schreckgespenst im nebligen Weidengebüsch und die bedrohliche Spähermeldung, von der die Mutter gesprochen hatte, hielten sie in Bann. Draußen war auf einmal Uinonahs Stimme zu hören: »Blitzwolke! Wohin denn?« In demselben Augenblick öffnete sich schon das Zelt, und das Mädchen flitzte herein.
Sie schloß den Zeltspalt hinter sich und blieb dann verlegen stehen. Wahrscheinlich hatte sie nicht erwartet, die beiden Knaben im Tipi zu finden. Sie griff nach den Enden ihrer langen dicken Zöpfe und drehte sie mehrmals verlegen hin und her. Schließlich kam sie einige Schritte näher.
»Wo ist Untschida?« fragte sie und sah dabei immer noch auf ihre Zopfenden, die sie um den Finger gewickelt hatte.
»Du kannst jetzt nicht zu Untschida gehen«, sagte Hapedah.
»Ach …«, meinte Blitzwolke. Sie war offenbar unglücklich, die Großmutter nicht sprechen zu können. »Und dann …«, stotterte sie, »jetzt kommen sie gleich alle … ich … Es war nämlich wieder schrecklich.« Die Knaben wurden beide aufmerksam. Hatte das Mädchen vielleicht auch das Gesicht gesehen?
»Warum schrecklich?« forschte Hapedah.
Blitzwolke seufzte erleichtert, da der magere Haarkämmer sie nicht verspottete. Sie traute sich noch etwas näher heran und bückte sich zu den lässig am Boden sitzenden Knaben. »Weil sie so geträumt und furchtbare Dinge gesagt hat«, flüsterte sie.
»Was hat sie denn gesagt, die Gefleckte Kuh?« erkundigte sich Tschaske und warf Hapedah einen Blick stillen gegenseitigen Verständnisses zu. Wahrscheinlich war der böse Geist wieder in die Alte gefahren, und sie war es gewesen, die im Weidengebüsch gehockt hatte.
»Ja, die Gefleckte Kuh. Ihr wißt gar nicht, wie schlimm es ist, wenn dieser Geist sie quält.« Das Mädchen zitterte am ganzen Leib. »Und sie hat doch auch damals recht gehabt, als ich ihr nicht glauben wollte … ihr wißt schon, als sie sagte, daß die Langmesser siegen … und jetzt … hat sie wieder geträumt, und der böse Geist hat ihr gesagt, daß in der nächsten Nacht der
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