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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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miteinander, nur mit dem Willen.
    Endlich begann der Zauberer: »Was kommst du zu mir, Tokei-ihto, Mattotaupas Sohn?«
    »Deine Trommel hat mich gerufen.«
    »Das taten die Geister.«
    »Was sagen sie dir?«
    Hawandschita antwortete nicht gleich. Es wurde ganz still im Zelt, unheimlich still.
    Endlich bewegten sich Hawandschitas Lippen wieder. »Die Große Bärin schweigt, sie zürnt.«
    »Wem?«
    Der Zauberer streckte den Kopf vor und hob die dürre schimmernde Hand: »Dir!«
    »Was verlangst du?«
    »Die Söhne brauchen das Wort ihrer Großen Mutter. Hole es uns!«
    »Wo soll ich es finden?«
    »In der Finsternis des Berges, im Inneren der Erde … wohnt sie.« Es war, als ob Hawandschita sich selbst vor dem fürchtete, was er sagte.
    »Wann sendest du mich?«
    »In der siebenten Nacht … ohne Waffen.«
    »Ich werde gehen. Deine Trommel schweigt jetzt?«
    »Sie bleibt stumm, bis die Toten und die Büffel wiederkehren.«
    Der Zauberer hob den Holzstab auf; eine Seite war schwarz, die andere leuchtete. Er vollführte lautlos geheimnisvolle Bewegungen damit.
    Tokei-ihto blieb regungslos, furchtlos an seinem Platz, bis der Zauberer den Stab zu Boden senkte.
    Dann verließ der Häuptling das Zelt. Er begab sich wieder in sein eigenes Tipi.
    Alle, die erwacht waren, lauschten noch lange; aber es blieb still. Kein Trommelschlag erklang mehr.
    »Die Toten und die Büffel kehren niemals zurück.« Tokei-ihto sagte es zu sich selbst; warum, das bekam kein Ohr zu hören. Niemand erfuhr, was im Zauberzelt gesprochen worden war.
    Als Hapedah und Tschaske erwachten, ahnten sie nicht, daß sie nach der Nacht auch noch einen ganzen Tag geschlafen hatten und es schon wieder Abend war. Sie erkannten das lächelnde Gesicht Untschidas. »Es ist Zeit, daß ihr aufwacht. Ihr habt den Bärentanz verschlafen.«
    »Oh!« Hapedah war mit sich selbst unzufrieden. Den Bärentanz, der zur Versöhnung des Bärengeistes getanzt wurde, hatte er nicht versäumen wollen. Es war geheimnisvoll und reizte immer seine Wißbegier, wenn die Männer in Bärenfellen die Tiere mit allen ihren täppischen Bewegungen darstellten und dabei die Bärensprache sprachen, daß heißt die Tierlaute auf das genaueste nachahmten.
    Als die Knaben im Fluß gebadet und sich gekämmt hatten, setzten sie sich zu ihrem Vater und Untschida. Es war schon wieder dämmrig im Tipi. Untschida hatte Holz neben sich aufgestapelt und schnitzte Pfeillängen. Hapedah und Tschaske zogen ihre Messer und halfen. Die Spitzen der Pfeile aus Knochen oder Stein mußten die Männer anfertigen. Für die Jagdpfeile wurden die Spitzen fest an der Länge angebracht, so daß der Pfeil aus dem Körper des erlegten Tieres herausgezogen und wieder gebraucht werden konnte. Bei den Kriegspfeilen wurden die Spitzen nur lose befestigt, und sie waren mit Widerhaken versehen, damit sie im Fleisch des Getroffenen festhakten.
    »Morgen müßt ihr Schlingen legen und Krähen fangen«, sagte Untschida, »wir brauchen Federn für die Pfeile.«
    Die Knaben nickten und schnitzten eifrig weiter, solange sie noch etwas sehen konnten. »Mit den Pfeilen könnt ihr dann Bären schießen«, scherzte Untschida. »So dumm bin ich nicht«, meinte Hapedah, »ein Bär ist zäh, und ohne Flinte kann ich ihn nicht töten.« Der Junge sah, daß sein Vater die Augen offen hatte und zuhörte. »Aber vielleicht gibt es in diesen Waldbergen viele Bären, und die Krieger können uns noch mehr erlegen.«
    »Glaubst du?« fragte Tschetansapa.
    »Ja, das glaube ich.« Hapedah war ganz sicher. »Hier im Wald können sie gute Lager für ihren Winterschlaf finden.«
    »Aber sie schlafen gar nicht, sie steigen auf die Bäume«, warf Untschida ein.
    »Denkst du wirklich, daß ich ein kleines Mädchen bin und noch gar nichts weiß?« Hapedah war gekränkt. »Der Bär hat geschlafen, aber als er Hunger bekam, stand er auf und suchte Beute. Sicher hat er uns gewittert, und da stieg er auf den Baum und spähte, denn er ist klug wie ein Kundschafter.«
    Tschetansapa schien mit der Erklärung zufrieden.
    »Vielleicht hatte er in der Höhle oben geschlafen«, schloß der Knabe.
    »In was für einer Höhle?«
    Dem Buben fiel der hastige Ton auf, in dem Untschida diese Frage stellte.
    »In der Höhle weit oben am Berg«, erklärte er. »Tschaske, hast du sie von unserem Baum aus nicht auch gesehen? Oben an der kleinen Felswand im Wald? Das dunkle Loch?«
    »Ja, ich habe es gesehen.«
    »Ja! Und morgen gehen wir hin und suchen, ob wir Bärenspuren

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