Über den Missouri
Herz klopfte ihnen bis zum Hals hinauf. Als sie an dem Baum vorbeikamen, auf dem sie am ersten Morgen den Schwarzbären gesichtet hatten, spähten sie umher, und richtig, sie sahen in kurzer Entfernung ein verlassenes Bärenlager im dichten Gebüsch. Starke Äste und junge Stämme, zwischen denen sich der Winterschläfer eingenistet hatte, lagen noch umher, und die Spuren der Tatzen waren in den Schnee eingefroren.
Die Knaben kletterten weiter. Der Waldhang stieg jetzt fast senkrecht an, und sie mußten die Hände zur Hilfe nehmen, um vorwärts zu kommen. Zum Reden hatten sie keine Zeit, kaum mehr zum Denken. Hapedah erinnerte sich nur kurz daran, daß Tokei-ihto und der Biber den schweren Schwarzbären von hier hatten holen müssen. Tschaske und er hatten schon fast die dreifache Zeit gebraucht, um den Weg bergaufwärts zu machen. Sie kletterten, bis sie keuchend vor der Felswand standen, aus deren Mitte die Höhlenöffnung wie ein gefährliches schwarzes Auge herausschaute.
Da die Knaben einmal ihren Entschluß gefaßt hatten, erwogen sie jeden Schritt, der zu tun war, kalt und sachlich.
Die Felswand, die etwa fünfzehn Meter hoch über die Baumwipfel emporragte, war in ihrem unteren Teil leicht ersteigbar. Erst etwa zwei Manneslängen unter dem Höhleneingang wurde sie glatt und etwas überhängend.
»Erst einmal bis dahin«, entschied Hapedah, »und dann läßt du mich auf deine Schultern steigen. Wir müssen hinein – damit sie uns findet und nicht umgehen kann.« Hapedah wunderte sich selbst, daß er die Worte so ruhig hervorbrachte. Er begann ohne Zögern, seinen Vorschlag auszuführen, und kletterte voraus. Tschaske folgte dicht hinter ihm. Die Felsrippen boten für gewandte Hände und Füße anfangs reichlich Halt.
Als die Knaben zu der schwierigen Stelle kamen, hielt Hapedah an und ließ Tschaske neben sich kommen. Tschaske suchte sich den besten Standplatz, und Hapedah kletterte zur Seite, um ihm die guten Tritte freizugeben; dann stieg er dem Freund auf die Schulter. Auch jetzt konnten seine ausgestreckten Hände den Rand des Höhleneingangs noch nicht fassen, und tiefer gelegene Griffe gab es nicht.
»Ich stemme dich hinauf«, schlug Tschaske vor.
Er ließ Hapedah auf seine Hände treten und stemmte ihn hoch.
Hapedah konnte am Eingang der Höhle Halt finden. Er klammerte sich fest an und blieb ausgestreckt hängen, während der Bruder an seinem Körper hinaufkletterte. Tschaske betrat auf diese Art zuerst den Höhlenboden und wollte Hapedah behilflich sein beim Hinaufziehen, aber der Haarkämmer war zu stolz, um sich helfen zu lassen. Er machte einen Klimmzug, stemmte die Arme durch und kroch ebenfalls in das Dunkel hinein. Eine feuchte, beklemmende Luft schlug den Eindringenden entgegen.
Die Knaben kauerten sich am Rand der Höhle zusammen. Hier war die Grenze zwischen der sternendurchleuchteten Nacht, in der Pflanzen, Tiere und Menschen noch gediehen, und dem vollständigen, erbarmungslosen Schwarz, das ihnen mit einem feindlichen Geheimnis entgegengähnte.
Sie blieben sitzen und warteten. Der Takt ihres Herzschlages wurde wieder langsamer und ruhiger, und
die Knaben richteten ihre Aufmerksamkeit stärker auf das Höhleninnere. Der Fels war naß, und es roch feucht. Da es draußen kühler war, atmete die Höhle dampfend wie ein Mensch. Fremdartig war das Gestein, rauh und wie in Buckeln und Pfeilern gewachsen. Die Knaben tasteten ihre Umgebung ab.
Hapedah stand auf, er ging ein paar Schritte ins Dunkle hinein und stellte fest, daß die Steine nicht nur von unten nach oben, sondern auch von oben nach unten wuchsen. Das war sehr merkwürdig. Er sagte es Tschaske, aber seine Stimme klang so fremd und hallend, daß er selbst davor erschrak. Er ging zu Tschaske zurück, setzte sich nieder und lauschte. Die Höhle hatte nicht nur einen Atem, sie hatte auch eine Stimme. Ein fernes Rauschen sang durch ihre Finsternis, sanft und verführerisch wie die schöne Stimme eines furchtbaren Ungeheuers, das sein Opfer anlockt.
»Vielleicht ist es einfach Wasser«, sagte Hapedah mit harter Stimme laut vor sich hin.
Tschaske antwortete nicht. Die Brüder rückten noch näher aneinander, so daß jeder den anderen körperlich fühlen konnte. So saßen sie eine ganze Weile.
Dann spürte Hapedah, wie Tschaske aufstand.
»Jetzt gehen wir hinein. Ich will wissen, ob das Wasser ist.« Tschaske flüsterte, er wollte nicht laut sprechen, damit es nicht wieder so halle.
Hapedah erhob sich auch, und die Freunde
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