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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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bedeckte das Gesicht mit den Händen. »Wir werden nie über den Mini-Sose kommen!«
    »Daran seid ihr schuld, ihr!« rief Blitzwolke außer sich. »Aber ich gehe nicht mehr auf die Reservation zurück!«
    Uinonah sah vertrauend auf ihre Schutzbefohlene und zog der weinenden Honigblüte die Hände vom Gesicht.
    »Warum bist du denn wieder zu uns gekommen?« fragte sie das Mädchen.
    Honigblüte schluckte und wischte ihre Tränen ab. »Ein Haariger war dort«, sagte sie, »er hat mich zu seiner Frau machen wollen; da bin ich am Abend fortgelaufen. Tschapa hat mich im Wald gefunden; ich hatte großen Hunger. Ich habe geglaubt, daß er mich tötet, aber er hat mich mitgenommen und hat gesagt, daß ich wieder dableiben darf.« Das letzte gestand Honigblüte nur in einem kaum hörbaren Ton. Sie hatte Angst vor den feindseligen Frauen und spürte den verachtungsvollen Blick der jüngeren Schwester.
    »Wo habt ihr denn die Pferde her, auf denen ihr geritten seid?« fragte Mongschongschah in die entstandene Stille hinein.
    »Die hat Chef de Loup den weißen Männern abgenommen, die das Gold aus dem Gestein der Berge holen wollen. Er hat gesagt, wir brauchen die Tiere.«
    »Ihr habt die Pferde abgetrieben, das ist ihnen anzusehen«, bohrte Mongschongschah weiter. »Sind die Feinde schon nahe?«
    Honigblüte nickte. »Ja, diese, die vom Niobrara und der Reservation östlich um die Black Hills herum kommen, sind schon sehr nahe. Auf einen Tagesritt vielleicht, sagt Tschapa. Wir haben unseren Mustangs die Fersen in die Seiten geschlagen und sind schnell geritten, damit wir euch noch warnen können. Die Feinde haben gute Pferde und keine Weiber und Zelte!«
    »Sind es viele?«
    »Fünfzig, sagt der Biber, dreißig Langmesser und zwanzig von der Lagerpolizei.«
    Blitzwolke tat einen tiefen Atemzug und verließ die Gruppe der Frauen und Mädchen. Sie schaute hinüber zu dem Häuptling und seinen Kriegern, die beratend zusammensaßen, und sie sah, daß die Beratung offenbar schon beendet wurde, denn die Männer verließen ihren Platz, und der Herold ging umher, Blitzwolke hörte, was er verkündete. Die Frauen und Kinder mußten unter dem Schutz Tokei-ihtos und seiner Männer sofort weiterziehen. Nur sieben Krieger sollten mit Tschetansapa zurückbleiben und den Verfolgern die Pferde nehmen.
    Der Wanderzug bildete sich im Umsehen wieder und machte sich auf den Marsch.
    Tschetansapa aber und seine wenigen Gefolgsleute, die dem Aufbruch noch zugesehen hatten, wandten sich jetzt um und gingen in ein kleines Gehölz.
    »Ein gutes Versteck suche ich für mich«, bemerkte Tschetansapa zu dem Delawaren. »Ich will mich hier verbergen und warten, bis die Verfolger kommen. Hier werden sie zuerst auf unsere Spur treffen und dabei haltmachen.«
    Tobias Chef de Loup hatte sich schon umgesehen. Tschetansapa besichtigte die Stelle, die der Delaware für geeignet hielt. Der Bach hatte das Ufer unter den Wurzeln der Büsche und Bäume tief ausgefressen; bei dem jetzigen niedrigen Wasserstand blieb unter dem überhängenden Ufer ein Hohlraum, der zum Teil noch mit schmelzendem Schnee ausgefüllt und von herabhängenden Wurzeln und alten Gräsern halb verdeckt war. Schwarzfalke schmunzelte. »Gut! Ich bleibe hier, und ihr macht euch auf den Weg südwärts. Ihr schlagt einen Bogen und umspäht die Verfolger im Rücken. Ich glaube, daß sie abends hier lagern werden.«
    »Hau.«
    Tschetansapa kroch unter den Uferüberhang. Seine lange schmale Gestalt ließ sich hier leicht verbergen. Die erdigen Wurzeln hingen wie ein Vorhang vor ihm, und Chef de Loup baute halbgefrorenen Schnee vor dem Versteck auf. Das langsame Abtauen würde bald alle Spuren, die die Schneehäufung künstlich erscheinen lassen konnten, verwischen. Als alles zur Zufriedenheit ausgeführt war, machte sich der Delaware mit dem Alten Raben, dessen beiden Söhnen, Tschapa, Antilopensohn und Speerspitze auf den Weg.
    Tschetansapa blieb allein in seinem Versteck zurück. Er fühlte nochmals nach der Flinte, die ihm der jüngere Rabe überlassen hatte, ob sie auch vor Nässe geschützt lag, und streckte die Füße bequemer. Er horchte auf die tirilierende Lerche und auf den Gesang der Amsel im Pflaumenbaum. Die Tiere verrieten ihm, daß draußen keine Unruhe oder Gefahr war. Die Feinde konnten nach dem Bericht des Bibers auch nicht vor dem Abend eintreffen.
    Dösend verbrachte Schwarzfalke die langen Stunden. Er hätte lieber auf einem Baum gesessen und Ausschau gehalten. Aber allein konnte

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