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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihto.«
    »Aber wir fahren hinüber?«
    »Wir werden es versuchen.«
    »Wenn wir hinübergefahren sind, wohin kommen wir dann, und wie ist es da?« Blitzwolke war lebhaft. Ihre
    Gedanken schweiften in die Zukunft, die vor ihr lag wie eine blau verschwimmende Ferne, aus der Schönes und Schreckliches auftauchen konnte.
    »Wenn wir über den Mini-Sose ziehen, so kommen wir wieder in weite Prärien und Wälder und zu vielen Flüssen und Seen.«
    »Du weißt noch mehr, Uinonah! Erzähle!«
    »Erinnerst du dich nicht mehr, Blitzwolke, wie Tschotanka an dem Tag, an dem mein Bruder wieder in unseren Stamm aufgenommen wurde, von dem großen Fest der drei Stämme und von dem Sonnentanz erzählte, durch den Tokei-ihto bei den Siksikau gegangen ist? Unter der Kette der Bärenkrallen sind noch seine tiefen Narben zu sehen!«
    »Ich erinnere mich, aber ich habe nicht alles genau verstanden, denn ich hatte erst sechs Sommer gesehen, und ich war damals sehr aufgeregt. Du aber, Uinonah, bist mit dem Zelt Tschotankas selbst bei dem Fest gewesen!«
    »Ja, das war ich. Siksikau und Assiniboine habe ich gesehen; Häuptling Brennendes Wasser und den jungen kühnen Donner vom Berge, den Schwarzfuß, mit dem mein Bruder am gleichen Tag durch den Sonnentanz ging und der sein Blutsbruder geworden war. Donner vom Berge hat eine Schwester, Sitopanaki, deren Füße singen, wenn sie geht .«
    »Alle diese Häuptlinge und Krieger und Mädchen möchte auch ich kennenlernen!« rief Blitzwolke.
    »Du mußt wissen, kleines Mädchen«, Uinonah wurde sehr ernst, »daß wir mit den Schwarzfüßen nur bei jenem Fest friedlich zusammenkamen, daß sie sonst aber unsere Feinde sind. Sie hassen die Dakota. Oft sind sie schon frech über den Mini-Sose weit herein in unsere Jagdgründe geschweift und haben unser Wild geschossen. Und da Tokei-ihto nun nicht mehr der Feind der Dakota, sondern unser Häuptling ist, werden sie ihn und uns alle töten, wo sie uns finden.«
    »Ein Blutsbruder den anderen?« fragte Blitzwolke tief erschrocken.
    Uinonah antwortete nicht mehr. Sie stand auf. Ihre Aufmerksamkeit schien von irgendeinem besonderen Vorgang angezogen zu werden. Blitzwolke schaute forschend in die Richtung, in die Uinonahs Blick ging. Das Blut gefror dem jungen Mädchen in den Adern.
    Honigblüte, Blitzwolkes ältere Schwester, war wieder da!
    Das Unheil näherte sich mit kräftigen Schritten. Wie sie aussah! Die Haare waren nicht gekämmt, hohl waren ihre Wangen, und sie sah zu Boden. Sie schämte sich. Das sollte sie auch.
    Blitzwolke ärgerte sich, daß die Häuptlingsschwester freundlich zu diesem Mädchen war. Uinonah brachte der Zurückgekehrten sogar Fleisch zum Essen.
    Ohne aufzublicken, verspeiste Honigblüte den Brocken. Es hatte sich unterdessen ein Kreis von Frauen um sie und Blitzwolke gebildet. Drüben bei dem Häuptling Tokei-ihto standen der Biber und Chef de Loup und berichteten.
    »Wo kommst du denn her?« verhörte Blitzwolke ihre Schwester.
    »Ach, von weit«, antwortete Honigblüte mit einer Sanftmut, die ganz fremd an ihr war. »Es ist schrecklich gewesen und wird noch viel schrecklicher«, sprach sie weiter zu den Frauen. »Sie hat uns Tag und Nacht durch die Wälder gejagt, die Gefleckte Kuh, wie eine Eule die Finken, und dann sind wir zu den haarigen Männern gekommen. Ihr glaubt nicht, was die für Haare um den Mund haben!« Honigblüte wies mit den beiden Händen vom Mund bis zu den Knien, und die Frauen entsetzten sich. »Sie hatten keine Frauen und keine Töchter, und wir mußten für sie arbeiten. Sie sprachen Worte, die wir nicht verstanden, mit ganz lauten Stimmen, und lachten dazu.«
    »Dann habt ihr ihnen also nichts erzählen können«, meinte Mongschongschah, die auch herbeigekommen war, erleichtert.
    »Doch, mit den Händen konnten wir etwas miteinander reden. Die Gefleckte Kuh hat schlimme Dinge erzählt. Daß Tokei-ihto nach Rache dürste und alle Watschitschun töten wolle und skalpieren und martern und ihre Hütten verbrennen und ihr Vieh rauben und ihre Weiber in sein Zelt schleppen und ihre Kinder ermorden …«
    »Die Lügnerin und Verräterin!« Auch Uinonah konnte ihre Erregung nicht mehr mit äußerlicher Ruhe bedecken. »So werden sich jetzt die Milahanska aufmachen, um uns zu jagen!«
    »Sie haben sich schon aufgemacht. Sie kommen von überallher, denn sie haben ein Geheimnis, mit dem sie in die Ferne sprechen können. Es ist wieder wie im Krieg.«
    Die Frauen sahen einander an. Wie im Krieg!
    Honigblüte

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