Über den Missouri
für den ganzen Zug. Die Männer und Frauen, auch die Kinder, die schon kräftig genug waren, um einen Nachtmarsch durchzuhalten, liefen mit Schneereifen. Die kleinsten Kinder wurden von den Müttern in Tragen auf dem Rücken mitgenommen; die größeren, die noch nicht eine Nacht hindurch mit Schneereifen laufen konnten, waren in Fellsäcken verstaut.
Je zwei solcher Säcke hingen, durch einen Gurt verbunden, rechts und links an einem Pferd.
Die nächtlichen Märsche gingen durch zeichenlose Finsternis. Kein Wasser rauschte, kein Baum gab einen Anhalt. Der Wind hatte Schnee von den Hügelkämmen abgeweht und in den Tälern aufgehäuft und dadurch die Höhenunterschiede verringert; wie eine Meereswelle der anderen, so glichen sich jetzt die Bodenerhebungen und Täler unter der weißen Decke.
Der Nordwind pfiff und jammerte über das freie Land dahin, winselte in kleinen Gehölzen und trieb den Schnee, wo dieser locker lag, zu Wolken auf. Die herabstäubenden Massen drangen den Menschen und den Tieren in Augen, Nase und Ohren. Mit der wehenden Luft schlichen sie sich in die dicksten Fellröcke ein und bissen in die Haut. Das Knirschen der Hufe und das Tappen der Schneereifen verklang und verwehte in dem immer lauter aufheulenden Wind.
Der Sturm schnitt wie mit Messern. Die Bärenknaben hatten die Hände vor das Gesicht genommen, um noch atmen zu können. Die Luft schien allmählich ins Rasen zu kommen. Sie fauchte und schrie. Die Frauen suchten die Kinder vor dem Sturm zu schützen. Blitzwolke wußte kaum mehr, wie sie noch einen Fuß vor den anderen setzen sollte. Ihre Wangen und ihre Nase brannten im Frost, und die Hände taten ihr bitterlich weh. Wieder wirbelten Schneemassen auf und schlugen mit Gewalt auf Menschen und Tiere hernieder. Uinonah brach zusammen, und Blitzwolke wurde mit ihr begraben.
Die Mädchen fühlten, wie sie wieder aus dem Schnee herausgeholt wurden. Der Sturm tobte so, daß kaum einer die Stimme des anderen vernehmen konnte. Dennoch drang die Signalpfeife des Häuptlings durch. Er gab das Zeichen zum Halten und Eingraben. Die großen Büffelhautdecken wurden mitten im Sturm mit Mühe losgemacht. Jeder nahm eine Handvoll Nahrung in einem Beutel zu sich. Die Mädchen und Jungen wurden unter die Büffelhautplanen gebracht, so daß sie vollständig überdeckt waren. Sie kuschelten sich im Finstern zusammen.
Blitzwolke spürte ihre Freundin Eidechse neben sich und hörte ein Tuscheln der Bärenknaben mit dem Bärenjungen, das noch mit in dasselbe Nest kam. Uinonah, Untschida und Mongschongschah gruben sich daneben ein. Die Krieger durften sich nicht eingraben. Sie mußten stehen, ihre langen Speere festrammen und Wache halten, solange der Schneesturm anhielt. Wenn er vorüber war, mußten sie an den Speeren erkennen, wo die Weiber und Kinder vergraben lagen, denn die Schneewehen veränderten die gesamte Landschaft.
Blitzwolke, Eidechse und die Bärenknaben fühlten sich warm und mollig in ihrem windgeschützten Versteck. Sie dachten an die Häuptlinge und Krieger, die draußen standen im eisigen Sturm. Aber obwohl sie an die Krieger draußen dachten, fielen ihnen doch die Augen zu. Sie waren so erschöpft, daß sie in der vollständigen Stille, die sie jetzt mit dem Schnee umhüllte, einschliefen. Sie schliefen so fest, daß sie nicht wußten, wie lange sie geschlafen hatten, als sie geweckt wurden. Sie wurden aus Schnee und Decken ausgeschält und atmeten auf einmal wieder kalte Luft.
Blinzelnd blickten ihre Augen ins Tageslicht und zum hellgrauen Himmel. Rings um sie her waren neue Schneeberge und neue Schneetäler entstanden. Die Hunde jaulten und scharrten sich auch aus dem Schnee heraus. Männer und Frauen halfen den Mustangs, Wiesenboden frei zu machen, damit die Tiere nicht verhungerten. Aber das war eine verzweifelte und harte Arbeit.
Wer gute Augen hatte, konnte in der Ferne sich bewegende Punkte sehen: ein großes Wolfsrudel. Das war keine erfreuliche Aussicht für die kommende Nacht. Ein festes Lager konnte man gegen Wölfe verteidigen, aber einen wandernden Zug gegen die Raubtiere zu schützen war schwer.
Die Jungen und Mädchen beobachteten, wie der Häuptling seine Befehle gab und wie sich die besten Jäger jetzt schon aufmachten, um das gefährliche Rudel zu erlegen. Schade, daß Tobias nicht hier war. Er galt als ein erfolgreicher Wolfsjäger weit und breit. Sein Jägername, den er einst an der canadischen Grenze erhalten hatte, »Chef de Loup«, Wolfshäuptling, wurde im
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