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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Mokassin hatte sich auf Schneeresten abgezeichnet.
    Schwarzfalke war mit einem Ruck auf und am Ufer unten. »Hier!« rief er seinen Gefährten zu. »Seht ihr das nicht?«
    »Spuren der entflohenen Schwarzfüße«, mutmaßte der Biber seelenruhig. »Keine schlechten Leute. Sie haben sich mit Weibern und Kindern heute nacht über das Eis gewagt.« Schwarzfalke starrte immer noch auf die mit dem Eis langsam abschwimmenden Fährten. »Heute nacht?« sagte er dabei. »Ich glaube, erst am frühen
    Morgen … sie haben weiter oben eine bessere Übergangsstelle gefunden als wir … da … so seht doch! Sie haben ein beschlagenes Pferd bei sich gehabt!« Tschetansapa kam zu seinen Gefährten zurück. »Ich gehe flußaufwärts«, erklärte er. »Diese Diebe müssen noch in der Nähe sein.«
    »Wir kommen mit!«
    Tschetansapa zögerte erst. »Gut«, gestand er dann zu. »Nur unsere beiden jungen Raben bleiben als Pferdewache hier.«
    Die Männer liefen am Ufer entlang. Durch das Gras am Hang rieselten Bächlein von abfließenden Pfützen. Die Sonne schien den Menschen warm auf die Haut. Tschetansapa führte ohne jede weitere Vorsichtsmaßnahme. Man hatte es mit indianischen Gegnern zu tun und nicht mit Watschitschun. Wer sich ihnen offen näherte, würde auch offen empfangen werden.
    Als die Männer kurze Zeit gegangen waren, krachte ein Warnungsschuß. Der Schütze lag auf einer der nordwestlich sich erhebenden Hügelkuppen, von denen aus man das Flußtal übersehen konnte; der Knall hatte seinen Standort verraten.
    Die Dakota blieben stehen. Tschetansapa hob die leere Hand als Zeichen, daß er hier und jetzt keinen Kampf beginnen wolle. Dann blieben die Dakota ruhig an ihrem Platz, um abzuwarten, was sich ereignen werde. Sie wurden überrascht.
    Auf der Höhe des Hangs, an dem sie entlanggeschritten waren, stand plötzlich ein Indianer. Vor dem Hintergrund des weiten blauen Himmels stand er da, groß und stolz. Er war schlank und gerade gewachsen wie ein Speer, und es lag trotz seiner Jugend eine Würde über ihm. Auch er hatte die unbewaffnete Rechte erhoben. In der linken Hand trug er Tschetansapas Flinte.
    Schwarzfalke und seine Begleiter schritten langsam zum Grat des Hochufers hinauf. Als sie angekommen waren, blieben sie in einem Abstand von etwa zehn Schritt vor dem fremden Mann stehen und betrachteten ihn.
    Die Dakota kannten die Sprache der Schwarzfüße nicht, und sie nahmen an, daß der Feind weder die Sprache der Dakota noch die der weißen Männer gelernt hatte. Man mußte sich mit der üblichen Zeichensprache verständigen. Tschetansapa deutete auf sich selbst und auf den mit verschlossener Miene wartenden Siksikau und drückte mit dieser Geste aus, daß hier eine Sache sei, die nur zwischen ihnen beiden ausgemacht werden könne.
    Der Fremde bedeutete kurz, daß er verstanden habe und einverstanden sei. Darauf nannte der Dakota seinen Namen: »Schwarzfalke, Sohn des Sonnenregens«, und sein Gegner antwortete ihm mit einer herben Stimme und den begleitenden Zeichen: »Donner vom Berge, der Sohn des Brennenden Wassers!«
    Die Dakota waren gewohnt, Fremden gegenüber ihre Gefühle streng zu verbergen und einen Gleichmut zur Schau zu tragen, der sie in den Ruf gebracht hatte, nicht einmal lachen zu können. So blieben ihre bronzenen Gesichter unbewegt, sosehr sie auch der Name, den sie eben gehört hatten, beeindruckte.
    Donner vom Berge war jung, aber schon reich an Kriegsruhm, und in vergangenen Jahren, als Tokei-ihto noch in Feindschaft mit seinem Stamm gelebt hatte, war Donner vom Berge der Blutsbruder des Dakota geworden. Tschetansapa mochte davon jetzt nicht sprechen, er wollte auch nicht daran denken. Es durfte nicht sein, daß Tokei-ihto bei den Siksikau etwa einen kampftüchtigeren Bruder gefunden hatte als bei den Dakota.
    Tschetansapa forderte seinen Gegner Donner vom Berge auf, ihm Pferd und Flinte zurückzugeben. Aber Donner vom Berge dachte ebenso starr. Er verneinte und hob den Tomahawk, um seinen Kampfwillen zu bekunden. Tschetansapa erklärte sich zu dem vorgeschlagenen Zweikampf bereit.
    Der Schwarzfuß winkte den Dakota, ihm zu folgen, und schritt über den Höhenkamm ein kleines Stück flußaufwärts und dann ihnen voraus. Er führte, ohne sich ein einziges Mal umzusehen, rechter Hand in die Prärie hinein. Hunde schlugen an. Eine Wiesenmulde tat sich auf, in der die Dakota die kleine Schar der entflohenen Schwarzfüße erblickten.
    Lager wurden üblicherweise am Wasser aufgeschlagen. Die

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