Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
Vom Netzwerk:
zu Fall zu bringen, aber noch hielt Donner vom Berge stand, und die schrillen Zurufe der zuschauenden Krieger feuerten die Kämpfenden an.
    Da spürte Schwarzfalke mit einem kalten Schauer, wie ihm selbst die Kräfte zu schwinden begannen. Blut sickerte aus seiner alten Brustwunde. Seine Arme gaben den anderen frei. Er taumelte zurück und fand sich auf den Knien im nassen Gras wieder. Der Schwindel verließ ihn, er konnte seine Umgebung wieder erkennen. Er löste die leere Lederscheide seines Messers vom Gürtel, preßte sie auf die Wunde und zerrte seinen Baststreifen wieder zurecht.
    Zuversichtlich hoffte er, daß die kräftezerstörende Blutung nun aufhören werde. Er stand auf, Tschetansapa wußte dabei sehr wohl, daß der Schwarzfuß die Zeit hätte ausnutzen können, um über ihn herzufallen. Aber ein Zweikampf zwischen einem Siksikau und einem Dakota wurde nicht wie ein Hahnenkampf geführt.
    Jetzt, als Schwarzfalke wieder stand, griff der Siksikau an. Aber es gelang dem Dakota, die Rechte des Gegners zu fassen und zu verdrehen, und hart traf Tschetansapas Faust den Schwarzfuß. Donner vom Berge stürzte. Ohne sich zu rühren, blieb er auf dem Rücken liegen. Tschetansapa bückte sich und berührte den Hilflosen zum Zeichen seines Sieges.
    Blau war der Himmel. Das immer noch tropfende Gras glänzte. Die Pferde und die Hunde rochen nach verdampfender Nässe, und der Wind, der nach Norden umgeschlagen hatte, brachte frischen Atem.
    Tschetansapa streckte die Hand fordernd aus und erhielt alle seine Waffen zurück, dazu die Waffen des Besiegten. Er ging zu dem prächtigen Schimmel und löste ihm die Fesseln zwischen den Vorderbeinen. Am Zügel führte er das tänzelnde Tier in die Mitte der Wiesenmulde. Er stieß einen schrillen Siegesruf aus, und seine Freunde stimmten ein.
    Tschetansapa schaute forschend in die Runde der Schwarzfüße, und sein Blick streifte dabei wieder jenes Mädchen, das den toten Knaben im Schoß hielt. Sie schob den schlaffen Körpers des Jungen einer anderen Frau zu und stand auf. Ihre Füße gingen leicht, und die Halme, die sich willig unter ihren Sohlen gebeugt hatten, hoben sich wieder unverletzt in die Höhe.
    Schwarzfalke, der nicht gewohnt war, auf Weiber zu achten, wartete doch unbewußt, bis das Mädchen neben ihm stand. Ihre Trauer entledigte sie jeder Furcht. Sie sah den Feind an, und ihre schmale Hand wies auf das Schlachtbeil des Besiegten, das der Sieger ohne Scheide durch den Gürtel gesteckt hatte. Mit zusammengezogener Miene suchte der Krieger in dem Antlitz dieses fremden Mädchens zu lesen. Was wollte sie? Sie stand jetzt ganz still, wie ein Halm, wenn das Wehen des Windes verstummt ist. Tschetansapa nahm die erbeutete Waffe aus dem Gürtel und reichte sie ihr.
    Das Mädchen kniete nieder, stützte die linke Hand mit zwei ausgestreckten Fingern auf den Grasboden und schlug mit Kraft zu. Ihr Blut spritzte auf. Sie erhob sich mit der verstümmelten Hand und reichte dem Dakota die Waffe zurück. Ruhig, wie sie gekommen war, ging sie zu den Ihren zurück. Tschetansapa wußte jetzt, wer sie war. Niemand anders konnte sie sein als Sitopanaki, die Schwester des Donner vom Berge. Sie hatte ihre Trauer um den besiegten Bruder so gezeigt, wie es die Sitte ihres Stammes war.
    Der Biber war zu dem am Boden liegenden Schwarzfußhäuptling getreten. »Willst du ihn bei den Seinen sterben lassen?« fragte er Schwarzfalke. »Mir scheint, es ist noch Leben in ihm.« Tschapa berührte den scheinbar Bewußtlosen, um festzustellen, ob seine Aussage richtig sei. Da aber spürte er plötzlich einen harten Griff um sein Handgelenk, und als er auffuhr, um sich loszureißen, schaute er in die vor Haß glühenden Augen eines Schwarzfußkriegers. Das Ringen der beiden Männer war sofort im Gang.
    Tschetansapa hatte den Vorgang erfaßt. Der Schwarzfuß mußte geglaubt haben, daß der Biber den wehrlosen Häuptling berühren, daß er den sogenannten »Schlag« – in der Grenzersprache »Coup« genannt – ausführen wolle. Damit hatte es eine eigene Bewandtnis. Aus alten Vorstellungen heraus, deren Ursprung den Indianern selbst nicht mehr bekannt war, galt das Berühren eines Gefallenen als ein zweiter Sieg über ihn.
    Bei den Reiterkämpfen der Präriestämme untereinander machte jede Partei den Versuch, die gefallenen oder verwundeten Gegner noch einmal mit dem Speer zu »schlagen«, die Freunde aber setzten alles ein, um den Toten vor der Berührung zu schützen, und so wurde der Kampf von

Weitere Kostenlose Bücher