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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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greifen, als er vollständig überrumpelt wurde.
    Starke Fäuste packten sein linkes Bein und rissen ihn vom Schimmel herunter. Tschetansapa stürzte. Als er wieder aufsprang, hörte er den Galopp zweier Pferde: sein Schimmel und das fremde Tier jagten in die Dunkelheit. Schon konnte er sie nicht mehr sehen. Der Dakota suchte seine Flinte, die ihm beim Sturz entfallen war. Er fand sie nirgends mehr. Allein stand er auf weiter Flur in der lichtlosen Nacht. Er suchte noch einmal nach seiner Flinte, aber ohne Erfolg. Sie war fort.
    Schwarzfalke bebte vor Wut. Er wartete etwas. Wenn sich der elende Dieb nur noch einmal herangewagt hätte! Es war für ihn unmöglich zu wissen, wohin sein Gegner in Nacht und Nebel entschwunden war. Von rings her hörte er aber wieder das dumpfe Galoppieren, das er in der Erregung ganz vergessen hatte, und er erinnerte sich seiner Krieger. Der Pfiff Chef de Loups ertönte schon, das Zeichen, daß er von seinem Kundschaftsgang zurück war. Man mußte sich auf den Weg über den Gelbsteinstrom machen, ehe das Eis brach!
    Tschetansapa gab das Rückzugssignal. Seine Krieger kamen zu ihm her.
    »Habt ihr meinen Schimmel wieder eingefangen?« fragte Tschetansapa.
    »Deinen Schimmel?!«
    »Ihr habt ihn also nicht wieder eingefangen!« Tschetansapa war froh, daß ihm die Dunkelheit die Mienen seiner Freunde verbarg. »Wir reiten über den Gelbsteinfluß zu Tokei-ihto!« befahl er.
    Keiner verlieh seiner Verwunderung Worte. Im Dauerlauf führte Tschetansapa seine berittene kleine Schar nordwärts.
    Mensch und Tier trieften vor Nässe, dazu waren sie verschwitzt und rochen beißend. Der Regen platschte herab, und der Wind brachte eine beunruhigende laue Luft aus dem Süden. Geduldig galoppierten die Pferde in der weglosen Finsternis. Das Aufklatschen des Regens übertönte fast das Geräusch des Galopps. Als die Männer einmal anhielten, vernahmen sie von fern ein zischendes und krachendes Geräusch.
    Sie wußten, was das bedeutete. Das Eis auf dem Gelbsteinstrom begann zu springen. Je mehr sie sich dem Strom näherten, desto häufiger drangen die unheimlichen Töne durch den strömenden Regen bis an ihr Ohr. Aber noch hatte nicht das große Donnern eingesetzt, mit dem sich das Eis zu schieben begann. Noch war es Zeit.
    Die Wiesen senkten sich allmählich. Das Tempo des Rittes verlangsamte sich im abschüssigen Gelände; die Pferde rutschten im nassen Gras. Die Reiter stiegen ab und führten ihre Mustangs am Zügel. Fast schien es, daß der Regen nachließ. Der Wind blies noch stärker, und flüchtig ließen sich einige Sterne zwischen zerreißenden Wolken sehen. Ein matter Schimmer hatte tiefer unten, zu den Füßen der Reiter, aufgeleuchtet. Der Eisstrom blinkte zwischen tiefschwarzen Ufern.
    Die kleine Gruppe erreichte die Böschung und gelangte vom Ufer auf das zusammengeschobene Eis. Es war nicht gut vorwärts zu kommen darauf. Große Eisschollen hatten sich aufeinandergetürmt; sie waren zusammengefroren zu einem wilden Durcheinander von Spitzen, Kanten, Blöcken und Flächen. Das Regenwasser schwamm auf dem Eis umher. Tschetansapa war froh um jeden Mondstrahl, der die tückische Eislandschaft für kurze Augenblicke erhellte. Er ging voran. Der Biber, Chef de Loup, der Alte Rabe und dessen beide Söhne folgten mit den Tieren.
    Die Eisdecke barg ein unheimliches Leben unter sich. Es donnerte und gurgelte unter den Füßen der Wanderer; der Strom rührte sich. Wie knallende Schüsse klang es, wenn die Eisdecke zerriß. Die Pferde waren voll Angst; mit Mühe zerrten die Männer sie voran. Immer wieder grollte der Strom unter den tauenden Massen; es donnerte und pfiff. Plötzlich schwemmte eine Wasserwelle gegen Mensch und Tier. Es war, als ob alles schwankte; die Eisdecke hob sich. Die Gäule scheuten und stiegen. Mit Anstrengung hielten die Männer die Zügel.
    Tschetansapa griff bei dem Gaul des Bibers mit zu. Die Männer hatten zu spüren, daß sie fremde Beutepferde führten und nicht die eigenen Tiere, die mit ihrem Herrn vertraut und in der Prärie aufgewachsen waren. Der Hagere und sein Freund stolperten zwischen Eisblöcken und gleitenden Pferdehufen. Hastig arbeiteten sie sich weiter und kamen in der Finsternis mit den verängstigten Pferden doch nur langsam voran.
    Die Mitte des Stromes schien endlich überschritten. Die Fluten unter der Eisdecke gurgelten gierig und versuchten immer wieder, nach oben zu schießen. Auch Tschetansapa konnte sich eines unheimlichen Gefühls nicht erwehren,

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