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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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als wieder ein knallender Riß bis dicht vor seine Füße lief. Vorwärts, jetzt vorwärts, ehe sie alle versanken und zwischen den Eisschollen erdrückt wurden. Er zerrte den zitternden Gaul des Bibers mit Gewalt voran. Das Pferd wurde irr vor Angst.
    Immer wieder rutschend, immer wieder stolpernd, immer wieder in die Knie brechend, kamen Menschen und Tiere vorwärts. Als Rettung und Leben erschien vor ihren Augen das tiefschwarze Nordufer. Nur hinaus aus der fahlschimmernden Hölle, die mit nassen Armen nach ihnen griff.
    Die Krieger wußten später nicht mehr, wie sie die letzten Meter geschafft hatten. Der Strom hatte aufgebrüllt, und mit einem gewaltigen Krachen waren Eisschollen zerdrückt worden. Die Fluten waren hervorgequollen; der Halt unter den Füßen war gewichen. Tschetansapa war zurückgeblieben; er hatte die anderen vorausgehen lassen und hatte noch bei dem Vater der Rabenbrüder, der als letzter kam, mit angepackt. Wie Betrunkene hatten Menschen und Tiere auf dem weichenden Eis gewankt. Der Alte Rabe war im Wasser gewesen; keuchend hatte er sich an Schwarzfalkes Hand hinaufgearbeitet.
    Dann standen die Männer auf dem Grasboden. Noch nie hatten sie diese gute feste Erde so bewußt gefühlt. Sie wich und wankte nicht; sie zischte und riß nicht. Stumm lag sie da und trug ihre geretteten Söhne.
    Die Männer führten die Pferde ein Stück an der Böschung aufwärts und warfen sich dann nieder. Ihre zitternden Tiere standen bei ihnen.
    Als die Sonne am nächsten Morgen aufging, hatte der Wind den Regen vertrieben. Der Himmel war so blau, als sei er reingewaschen worden. Nur einige hellgraue, rundliche Wolken mit weißen Rändern segelten noch als Erinnerung an den nächtlichen Wolkenbruch verloren durch die Weite. Tschetansapa und die Seinen sonnten sich ausgeschlafen in der das Licht spiegelnden Nässe eines Südhangs. Irgendwo versteckt lag Chef de Loup und hielt Wache. Zu Füßen der Männer brüllte der Strom. Das Eisgeschiebe war im Gang. Die aufgetürmten Blöcke knisterten und krachten; es dröhnte unter dem schimmernden, weißlichen Trümmerfeld. Die Männer erinnerten sich mit wohligem Grausen daran, wie sie über dieses Eisgeschiebe gekommen waren.
    Jetzt konnte auf Tage hinaus kein lebendes Wesen mehr den Fluß überqueren. Man war in Sicherheit vor allen Verfolgern aus dem Süden.
    Tschetansapa lag bei dem Biber auf der Büffelhautdecke und hatte die Hände unter dem Kopf gekreuzt. Der kraushaarige Krieger und der Vater der Rabenbrüder hockten neben ihrem Anführer; die beiden jungen Raben saßen zwischen den Pferden.
    »Gut haben wir das gemacht«, lobte Tschapa alles in allem.
    Schwarzfalke sagte weder ja noch nein. Nachdem die Gefahren des Eisstromes überwunden waren, kehrten seine Gedanken mit Macht zu seinem letzten nächtlichen Abenteuer zurück. Er hatte den Auftrag des Häuptlings ohne Tadel ausgeführt und die Feinde von der Spur der Bärenbande abgehängt. Sollte er, der Sieger, jetzt ohne Flinte und ohne Pferd in Tokei-ihtos Lager einziehen? Sah so die ruhmvolle Rückkehr aus, von der er geträumt hatte? Hapedah und Tschaske würden sich eins lachen über ihren Vater, und die Weiber würden ihre Witze machen.
    »Was denkt ihr?« fragte Tschetansapa seine Freunde. »Wer hat sich heute nacht noch außer uns am Teich herumgetrieben?«
    »Schonka und seine Leute sind das nicht gewesen«, gab Chef de Loup Bescheid. »Sie waren alle im Lager und wollten die gefangenen Schwarzfüße töten. Einige haben sie getötet, aber andere sind ihnen entflohen. Ich glaube, daß der entkommene Häuptling und seine zwei oder drei Krieger sich angeschlichen hatten und die Ihren befreiten.«
    »Dann wird ein entwischter Schwarzfuß deinen Schimmel und die Flinte gestohlen haben«, meinte der Biber zu Tschetansapa. »Er will wohl seinem verlorenen Ruhm beim eigenen Stamm ein wenig damit aufhelfen, daß er Pferd und Flinte eines Dakota als Beute vorweist. Die Siksikau sind bissige Hunde wie die Pani und uns von jeher feind.«
    Tschetansapa brütete vor sich hin und betrachtete dabei ohne Ziel das Eisgeschiebe auf dem Fluß. Die Eisblöcke hatten einen zersplitterten Stamm eingezwängt und zerbrachen ihn. Alte Wildspuren wurden von dem Eis abwärts getragen. Tschetansapa bedauerte tief, daß er nicht nach diesem Jagdwild suchen durfte. Da … auch einige Hufabdrücke in den Schneeresten, frische Spuren von unbeschlagenen Mustangs. Die Pferde waren gestolpert und gerutscht. Auch ein sehr zierlicher

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