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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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beiden Seiten immer erbitterter. Die Schwarzfüße mußten angenommen haben, daß der Biber den Coup ausführen wolle, und sie hatten ihn deshalb sofort angegriffen. Tschetansapa konnte den Siksikau nichts zurufen, da sie seine Sprache nicht verstanden, und es war nicht zu erwarten, daß sie jetzt noch die Ruhe wahrten, um auf erklärende Zeichen zu achten.
    Ein neuer Kampf war unvermeidlich. Die Dakota waren in der Überzahl, und sie waren besser bewaffnet. Es gelang ihnen rasch, die drei noch kampffähigen Siksikau zu überwinden, zu entwaffnen und zu fesseln. Aber als sie die Gefangenen im Gras liegen sahen, begriffen sie erst, was sich im Kampf ereignet hatte.
    Der Alte Rabe, Vater der Rabenbrüder, lag mit klaffendem Schädel auf dem Gesicht. Das Beil eines Siksikau hatte ihn getroffen. Donner vom Berge aber war nicht mehr da. Er hatte die Gelegenheit zur Flucht benutzt, und weit entfernt war noch der Hufschlag seines grauen Hengstes zu hören. Tschetansapa sprang auf seinen Schimmel und jagte hinter dem Entflohenen her. Der Tod des Alten Raben erfüllte den Dakota mit neuem bitterem Haß.
    Der Flüchtige schien sich nach Norden gewandt zu haben. Zu sehen war er in dem welligen Gelände kaum mehr. Nur selten einmal erblickte Tschetansapa bei der Verfolgung wehendes schwarzes Haar oder die dunkle Mähne des grauen Hengstes. Dann feuerte er. Er hoffte, daß die beiden Rabenbrüder bei den Pferden seine Schüsse hörten und auf der Hut waren.
    Der Schwarzfuß besaß ein vorzügliches Tier. Immer wieder foppte er den Verfolger. Tschetansapa aber war wie dem Jäger zumute, dem das schon erlegt geglaubte Wild wieder entkommt. Er jagte, und er vergaß dabei die Zeit und seine Gefährten.
    Als er sich seiner selbst wieder bewußt wurde, hatte er seine letzte Munition vertan. Sein Schimmel lahmte, und als er zur Sonne hinaufsah, hatte sie sich längst auf die absteigende Bahn begeben und strebte dem westlichen Horizont zu. Schwarzfalke hielt inmitten der endlosen, eintönigen Höhenzüge. Sein Speichel war vertrocknet, die Zunge klebte ihm am Gaumen. Stirn und Hals waren ihm naß von Schweiß, so naß wie die Flanken seines Schimmels, die bebend auf und ab gingen. Der Verband um seine Brust war wieder verrutscht. Er keuchte. Mit halbgeschlossenen Augen hing er auf seinem Pferd. Er hätte die Amsel erschlagen können, weil sie mit leichtem Atem ihr Abendlied sang.
    Gut, daß ihn niemand so sah. Er riß sich zusammen und betrachtete die Galoppspur des Feindes. Zwischen dem Gras war feuchte Erde aufgeworfen. Es war sinnlos, dieser Spur noch weiter zu folgen. Der Schwarzfuß war entkommen. Sein Hengst schien so unermüdlich und so schnell zu sein wie Tokei-ihtos Falbe.
    Tschetansapa ritt zu dem morgendlichen Lagerplatz am Ufer, wo die beiden Rabenbrüder noch die Pferde bewachten. Tschetansapa hatte ihnen zu sagen, daß ihr Vater gefallen war.
    Schweigend nahmen die Brüder die Nachricht auf.
    Sie ritten mit Schwarzfalke zusammen zu der Wiesenmulde, wo sich der Kampf abgespielt hatte, und fanden dort die anderen Gefährten und den Toten. Die Söhne nahmen den Gefallenen auf, denn ein Toter sollte die Erde nicht mehr berühren. Sie gaben ihm alle seine Waffen, wickelten ihn in eine Decke und banden ihn auf sein Pferd. Im Halbkreis saßen die Frauen und Kinder der Schwarzfüße, stumm und dumpf ergeben.
    Schwarzfalke und Chef de Loup hielten Umschau über die Prärie. Es war nichts Verdächtiges zu bemerken. Darauf gab Tschetansapa bekannt, daß die Mulde, trotz ihres Wassermangels, als nächtlicher Rastplatz dienen werde. Der Fluß war nahe genug. Wer wollte, konnte sich den Wassersack dort füllen.
    »Hierher kommt Donner vom Berge zurück«, erklärte er seinen Gefährten. »Wir haben seine Weiber und Kinder.«
    »Gräme dich nicht wegen dieses Schwarzfußes«, meinte der Biber. »Seine Hände sind beide lahm. Er hat keine Väter und keine Brüder in der Nähe. Die Aasgeier werden ihn fressen.«
    Tschetansapa sagte nichts dazu. Er legte sich an einen Wiesenhang und schaute in die beginnende Nacht. Auch die anderen sprachen nichts, und wie die Dunkelheit, so lag die düstere Stimmung über dem kleinen Kreis.
    Der einzige, der noch – für alle – an die Bedürfnisse des Leibes dachte, war der Biber. Er hatte die Zeit, die Tschetansapa mit seiner vergeblichen Verfolgungsjagd zugebracht hatte, dazu benutzt, zwei Präriehunde zu erlegen. Diese dicken Nagetiere, die in einem Netz von Gängen unterhalb der Erde wohnten, waren

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