Über den Missouri
der Feuerstelle und Tschetansapas Platz. Der Dakota hatte kaum den Kopf gerührt, aber seine Augen ließen sich keine Bewegung des Donners vom Berge entgehen.
Der Siksikau blieb stehen. Mit seinem rechten Arm, an dem die verrenkte Hand hing, gab er den Seinen ein Zeichen. Chef de Loup hatte den Revolver bereit.
Ein Knabe der Schwarzfüße stand auf und kam zu seinem Häuptling herbei. Der Häuptling bewegte die Lippen; der Knabe schaute an ihm hinauf und las die Worte ab. Schwarzfalke wußte nicht, warum er untätig zusah. Seine Glieder waren gespannt.
Der Schwarzfußknabe schien eine Anweisung erhalten zu haben. Er kroch unter die Decke, unter der der Rest des Feuers verglimmte, und holte ein Sträußchen von Zweigen, die er anblies, so daß sie rötlich aufglühten. Inzwischen hatte Donner vom Berge sich niedergelassen. Er hatte sich mit dem Rücken gegen die beiden Gefangenen gesetzt und das Gesicht Tschetansapa zugewandt. Er legte das rechte Handgelenk über das linke und blieb in dieser Stellung eines Gefesselten, bis der Knabe kam und ihm die glühenden Zweige auf die nackte Schulter legte.
Der Knabe ging zu den Frauen zurück, und der Siksikau blieb sitzen, als sei es nicht er selbst, der gebrannt werde. Er hatte den Männern, die seine Sprache nicht verstanden, damit gesagt, daß er sich gefangen gebe und unter Martern sterben wolle. Leise begann er sein Sterbelied zu singen.
»Hi-je-hi-je – hai joh …«
Der Ruhm, tapfer gestorben zu sein, war der einzige, um den er noch zu kämpfen vermochte.
Tschetansapa sah ihn an. Als ein Knabe von acht Jahren hatte der Dakota schon am Zeltfeuer gesessen und sich brennende Späne auf die Hand gelegt, um das Ertragen von Schmerzen zu lernen. Er wußte, was Donner vom Berge aushalten wollte. Keine Miene zuckte in dem Gesicht dieses Mannes, dessen wütender Stolz jede Erschöpfung überwand.
Tschetansapa erhob sich und ging an den Gefesselten und der Feuerstelle vorbei zu den Pferden.
»Wir reiten zurück zu Tokei-ihto«, sagte er seinen Gefährten. »Warum sollen wir noch länger bleiben? Der, auf den wir gewartet haben, ist gekommen. Wir werden die Schwarzfüße jetzt mit uns treiben.« – Er scheuchte die Weiber und Kinder auf, die sich gehorsam erhoben.
Der Biber kam von der Hügelkuppe herunter und winkte der jungen Schwarzfußwitwe; sie löschte die Glut, nahm die Decke von der Feuerstelle ab und brachte sie zu dem Gaul des Bibers. Die Raben hatten die Gefesselten gepackt und banden sie auf ihren Tieren fest. Den Pferden wurden die Beine freigegeben. Donner vom Berge hatte die Vorbereitungen zum Aufbruch gesehen. Er war aufgestanden und wartete, ob der Dakota ihn töten oder binden werde.
Tschetansapa aber war schon aufgesessen. Als er an seinem Gegner, den er besiegt und doch nicht besiegt hatte, vorbeiritt, winkte er ihm, daß er laufen solle, und so ging der fremde Häuptling hinter den Weibern und Kindern. Seine große Gestalt ragte über sie auf. Schwarzfalke ritt im Schritt hinter seinem Feind. Seine Gefolgsleute hielten sich rechts und links, um die Gefangenenschar zu übersehen und zu hüten. An der Hand des älteren Raben ging das Pferd, das seinen toten Herrn trug. Das Mädchen Sitopanaki hatte die Leiche des Knaben, von der sie sich nicht trennen wollte, über den Rücken genommen, und unter der Last gebückt, schritt sie den Ihren voran.
Die kleine Schar gelangte durch die Wiesen auf die Spur des Wanderzuges der Bärenbande, die im Mondschein deutlich sichtbar am Fluß aufwärts führte. Auch der große Regen hatte die Fährte nicht ganz verwischen können. Tschetansapa folgte ihr mit seinen Freunden und den Gefangenen. Daß Tokei-ihto sich nach Westen gewandt hatte, war kein gutes Zeichen. Er schien es nicht für möglich zu halten, jetzt geradewegs nach Norden durchzubrechen.
Die Menschen wanderten durch die lange Nacht bis zum frühen Morgen. Als bei Sonnenaufgang die Spuren einen ehemaligen Rastplatz der Vorausgewanderten am Fluß verrieten, befahl Tschetansapa den ersten Halt. Die Ruhe dauerte nur wenige Stunden. In der ermüdenden Wärme des Frühlingstages brachen Menschen und Tiere wieder auf und zogen weiter am brausenden Fluß aufwärts.
Die grasigen Hügel zeigten schon die Spitzen junger Halme, und unter Regen und Sonne waren die ersten Blumen hervorgekommen. Die »weiße Rose« blühte; ihre Blütenblätter waren zart und schön, aber die Männer betrachteten diese Blume mit gerunzelter Stirn, denn sie galt als das Vorzeichen
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