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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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sprechen konnte, fragte sie: »Hast du noch nie was von Khamsilaine gehört?«
    »Es gibt ziemlich viele Inseln. Und ich komme nicht viel zum Reisen. Nein, ich hab noch nie davon gehört. In welcher See treibt es?«
    »Im Azurro.«
    »Im Azurro«, wiederholte Lawler unsicher. Er hatte nur eine höchst verschwommene Vorstellung davon, wo das azurblaue Meer sich befinden mochte. »Ja, da schau her. Da bist du ja wirklich schon ein ganz schönes Stück gereist, was?« Sie gab ihm darauf keine Antwort. Nach einer Pause fragte er weiter: »Aber hierher bist du doch vor einiger Zeit von Kentrup gekommen, stimmt das?«
    »Ja.« Erneuter Hustenanfall.
    »Und wie lang hast du dort gelebt?«
    »Drei Jahre.«
    »Und vorher?«
    »Achtzehn Jahre auf Velmise. Zwei Jahre auf Shaktan. Etwa ein Jahr auf Simbalimak.« Sie blickte ihn feindselig an und sagte: »Simbalimak liegt ebenfalls im Azurro.«
    »Ich habe von Simbalimak gehört«, erwiderte er.
    »Vorher auf Khamsilaine. Also ist dies hier jetzt meine sechste Insel.«
    Lawler notierte sich dies.
    »Jemals verheiratet gewesen?«
    »Nein.«
    Auch dies schrieb er nieder. Die generelle Abscheu vor der Endogamie bei den jeweiligen Insularpopulationen hatte auf Hydros zu einer inoffiziellen Praxis der Exogamie geführt. Single-Personen, die sich partnerschaftlich zu binden beabsichtigten, zogen gemeinhin auf irgendeine andere Insel, um sich dort einen Gefährten zu suchen. Aber wenn eine dermaßen attraktive Frau wie Sundira Thane dermaßen viele Inseln abgegrast hatte, ohne sich je zu binden, dann konnte das nur bedeuten, daß sie entweder besonders wählerisch, oder aber, daß sie gar nicht auf Partnersuche war.
    Lawler vermutete letzteres. Der einzige Mann, in dessen Gesellschaft er sie jemals länger verweilen gesehen hatte, seit sie vor ein paar Monaten auf Sorve aufgetaucht war, war Gabe Kinverson gewesen, der Fischer. Der Mann war ein launenhafter, wenig kommunikationsbereiter Typ mit einem markant zerkerbten Gesicht, ein starker, zäher Bursche und (vermutete Lawler jedenfalls) auf eine tierhafte Weise interessant, aber doch kaum der Typ Mann, den eine Frau wie Sundira Thane heiraten wollen würde, sofern sie natürlich auf eine Heiratspartnerschaft aus war. Aber Kinverson seinerseits hatte ja auch noch nie viel eheliche Bindungswut gezeigt.
    »Wann haben diese Hustenattacken begonnen?« fragte er.
    »Vor acht, nein, vor zehn Tagen. Etwa in der letzten Dreimondnacht, würde ich sagen.«
    »Hattest du jemals zuvor ähnliche Beschwerden?«
    »Nein. Nie.«
    »Fieber? Brustschmerzen? Schüttelfrost?«
    »Nein.«
    »Hast du beim Husten Sputumauswurf? Blut?«
    »Sputum? Meinst du, flüssigen Schleim? Nein, da war nie so was...«
    Wieder überfiel sie der Krampfhusten, diesmal noch heftiger. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, das Gesicht rötete sich, der ganze Körper schien zu zucken. Hinterher hockte sie, den Kopf zwischen den hochgezogenen Schultern nach vorn geneigt, da und sah erschöpft und elend aus.
    Lawler wartete, bis sie wieder bei Atem war.
    Endlich sagte sie: »Wir sind gar nicht durch die Breiten gekommen, in denen die Killer-Fungi wachsen. Das sage ich mir immer wieder.«
    »Das bedeutet aber nichts, wie du weißt. Ihre Sporen können im Wind Tausende von Kilometern weit getragen werden.«
    »Innigsten Dank.«
    »Du vermutest doch nicht ernsthaft, daß du infiziert bist?«
    Sie blickte ihn fast zornig von unten her an. »Woher soll ich das wissen? Vielleicht stecke ich von der Brust bis zu den Zehen voller roter Drähte, und wie sollte ich das erkennen können? Ich merke nur, daß ich unentwegt husten muß. Du bist es, der mir sagen soll, warum.«
    »Vielleicht kann ich das«, erwiderte Lawler. »Vielleicht auch nicht. Wir wollen uns das erst mal anschaun. Zieh die Bluse aus.«
    Er holte sein Stethoskop aus einer Lade.
    Das Abhorchgerät war ein lächerlich primitives Instrument: nichts weiter als ein zwanzig Zentimeter langes Seebambusrohr, an dem an zwei biegsamen Schläuchen zwei Ohrmuscheln aus Plastik befestigt waren. Lawler hatte praktisch keinerlei modernes medizinisches Hilfsgerät zur Verfügung, eigentlich gar keines, das Ärzte im einundzwanzigsten und sogar im zwanzigsten Jahrhundert für zeitgemäß erachtet haben würden. Er mußte mit primitiven, geradezu mittelalterlichen Instrumenten zurechtkommen. Eine Röntgenuntersuchung hätte ihm sekundenschnell verraten, ob die Frau an Pilzbefall litt. Doch woher sollte er einen Röntgenschirm bekommen?

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