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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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zu behandeln gehabt. Er wußte nichts weiter über die Erkrankung, als was er vor langer Zeit von seinem Vater darüber gehört oder von anderen Ärzten auf anderen Inseln gehört hatte. Er überlegte, ob sein Stethoskop ihm wirklich verraten konnte, ob sich da etwas in den Lungen festgesetzt hatte oder nicht, und was es war.
    »Dreh dich um«, befahl er.
    Er horchte die Geräusche vom Rücken her ab. Er ließ die Patientin die Arme heben und tastete mit den Fingern ihre Flanken nach fremdartigen Wucherungen ab. Sie wand sich unter der Berührung, als würde er sie kitzeln. Er nahm eine Blutprobe aus der Armvene und schickte sie hinter einen Wandschirm in der Ecke, damit sie ihm dort eine Urinprobe produziere. Er besaß so etwas wie ein Mikroskop, das Sweyner, der Mechaniker, ihm zurechtgebastelt hatte. Die Auflösung war kaum besser als bei einem Spielzeugmikro, aber falls sich im Blut irgendwelche lebenden Fremdorganismen eingenistet hatten, würde er sie vielleicht trotzdem ausmachen können.
    Ach, verdammt, er wußte so schrecklich wenig.
    Sein Patientenkontingent war tagtäglich eine Herausforderung seines ärztlichen Könnens. Meistens mußte er sich so durchmogeln. Sein medizinisches Wissen bestand eigentlich nur aus einer recht dünnen Mixtur von praktischen Prozeduren, die er seinem Vater abgeguckt hatte, der ein hervorragender Arzt gewesen war, von verzweifelter Herumraterei und mühsam erworbenen eigenen Kenntnissen, die er sich nach und nach auf Kosten seiner Patienten erwerben konnte. Lawler hatte sein Medizinstudium erst zur Hälfte hinter sich gebracht, als sein Vater starb, worauf er selber, noch keine zwanzig Jahre alt, sich plötzlich in die Position des ‚Doktors’ auf der Insel Sorve katapultiert sah. Auf dem ganzen Planeten Hydros gab es keine echte medizinische Ausbildung oder irgendwas, das man auch nur entfernt als modernes medizinisches Hilfsmittel, Apparat oder Arznei hätte bezeichnen können, außer den Dingen, die Lawler selber sich aus den maritimen Lebensformen, seiner Phantasie und Gebeten zusammenmixen konnte. Zu Lebzeiten seines bedeutenden, leider früh dahingeschiedenen Vaters hatte irgendeine freundliche Wohlfahrts-Organisation auf Sunrise ab und zu einmal Päckchen mit medizinischer Ausrüstung und Medikamenten abgeworfen, aber eben nur sehr selten und sporadisch, und sie mußten dann auch noch zwischen den zahlreichen Inseln verteilt werden. Außerdem hatten diese vom Himmel fallenden Wohltätigkeiten schon seit langem nicht mehr stattgefunden. Die besiedelte Galaxie war recht ausgedehnt, und nirgendwo machte man sich noch viel Gedanken wegen der paar Leute, die auf Hydros lebten. Lawler tat, was er konnte, aber seine besten Bemühungen waren eben oftmals nicht gut genug. Wenn sich ihm die Chance bot, konferierte er mit den Ärzten von anderen Inseln, in der Hoffnung, von ihnen etwas zu lernen. Ihr medizinisches Können war zwar ebenso trübe wie das seine, doch er hatte entdeckt, daß es zuweilen durch den Austausch gegenseitigen Unwissens möglich wurde, in den Leuten ein Fünkchen der Erkenntnis zu zünden. Manchmal.
    »Du kannst dich wieder anziehen«, sagte Lawler.
    »Ist es der Schwamm, was meinst du?«
    »Es ist nichts weiter als ein nervöser Reizhusten«, beschied er sie. Er hatte jetzt den Abstrich der Blutprobe auf dem gläsernen Objektträger und starrte durch das Monokular des Mikroskops darauf. Was war denn das da? Rot auf rot? Konnten das scharlachrote Myzelfasern sein, die sich durch die rötliche Dunstschicht ringelten? Nein. Nein, eine optische Täuschung, eine Sehschwäche in seinem Auge. Das war ganz normales Blut. »Du bist völlig in Ordnung«, sagte er und schaute zu ihr hinauf. Ihr Oberkörper war noch immer nackt, die Hemdbluse war halb über den hageren Arm gezogen. Ihr Gesichtsausdruck verriet Argwohn. »Warum mußt du dir unbedingt einbilden, du hast eine scheußliche Krankheit?« fragte Lawler. »Es ist weiter nichts als ein festsitzender Husten.«
    »Weil ich eben sicher sein will, daß ich keine scheußliche Krankheit habe. Deshalb bin ich ja zu dir gekommen.«
    »Nun, das ist nicht der Fall.« Er hoffte zu Gott, daß er sich nicht irrte. Aber eigentlich gab es ja keinen Grund, wieso er nicht recht haben sollte.
    Er sah ihr zu, als sie ihre Hemdbluse anzog, und ertappte sich bei der Frage, ob zwischen ihr und Gabe Kinverson tatsächlich etwas ‚lief’. Der Inseltratsch interessierte ihn eigentlich kaum, also war er vorher nicht auf einen

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