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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Niveau eines betäubten Bewußtseins verharren konnte. Immer wieder flackerte in ihm plötzlich schockhaft Bestürzung auf, das Gefühl eines drohenden unerträglichen Verlusts, ja sogar ganz unverhohlene Furcht. Und dann mußte er wieder von vorn beginnen.
    Als die Dämmerung kam, kroch Lawler aus seinem Vaargh und machte sich auf den Weg zum Uferwall hinab.
    Zwei Monde waren bereits aufgegangen und ein blasser Splitter von Sunrise war wieder am Firmament aufgetaucht. In der Bucht zuckten die Dämmerungsfarben, lange goldene Reflexe in Streifen, und purpurne, und sie verblichen rasch zum Nachtgrau, während er noch hinsah. Im seichten Wasser schwammen zielstrebig die Schatten rätselhafter Meeresgeschöpfe umher. Alles war so friedlich: die Bucht im schwindenden Tageslicht, so still, so verzaubert.
    Dann aber schlichen sich Vorstellungen von der bevorstehenden Seereise in seine Gedanken. Er blickte über das Hafenbecken hinaus auf die weite Wüste der feindlichen, unbegreiflichen See. Wie weit würden sie segeln müssen, bis sie auf eine Insel stießen, die sie aufzunehmen bereit wäre? Ein Turn von einer Woche? Von zwei Wochen? Oder von einem Monat? Lawler war nie draußen auf hoher See gewesen, nicht einmal einen einzigen Tag lang. Damals, diese Fahrt nach Thibeire, die war doch nur ein Tagesausflug in einem Fell-Rindenboot gewesen, kaum über das Flachwasser hinaus zu der anderen Insel, die damals so nahe an Sorve herangedriftet war.
    Lawler erkannte, daß er sich vor dem Meer fürchtete. Die See, das war ein gewaltiges, ein weltweites Maul, das (wie er es sich manchmal vorstellte) in irgendeinem urtümlichen Schluckkrampf ganz Hydros konvulsivisch verschlungen haben mußte, wobei nur diese winzigen Treibinseln übrig geblieben waren, die von den Gillies erbaut worden waren. Und diese See würde auch ihn verschlingen, wenn er versuchen würde, sie zu durchqueren.
    Ärgerlich hielt er sich selber vor, daß so etwas töricht sei, daß schließlich Männer wie Gabe Kinverson Tag um Tag auf die hohe See hinausführen und es überlebten, daß Nid Delagard hundertmal zwischen den Inseln gesegelt sei, daß Sundira Thane sogar von einer Insel aus dem Azurro-Meer nach Sorve gekommen war, und das lag dermaßen weit weg, daß er davon noch nicht einmal etwas gehört hatte. Nein, es würde schon alles gut verlaufen. Er würde eben eines von Delagards Booten besteigen, und nach einer Woche oder auch nach zweien würde er darin zu der Insel gelangen, die dann seine künftige Heimstatt sein würde.
    Und dennoch - die Schwärze, die Unermeßbarkeit, die zerschmetternde Kraft dieser schrecklichen weltumspannenden See... »Lawler?« rief eine Stimme.
    Er wandte sich um. Zum zweitenmal an diesem Tag trat Nid Delagard hinter ihm aus dem Schatten.
    »Also komm doch«, sagte der Reeder. »Es wird schon spät. Gehen wir und reden wir mit den Gillies«.

5
    EIN KLEINES STÜCK WEITER unten an der Küste schimmerte im Kraftwerk der Gillies elektrisches Licht. Weitere Lampen, zu Dutzenden, vielleicht Hunderten, waren in den Straßen der Gillie-Siedlung dahinter entzündet. Die unerwartete Katastrophenmeldung von der Ausweisung hatte das andere bedeutende Tagesereignis vollkommen überschattet: Den Beginn der turbinengetriebenen Elektrostromerzeugung auf Sorve Island.
    Es war ein kühles grünliches, ein irgendwie trügerisches Licht. Die Gillies verfügten über eine Art Technologie, die so etwa den Entwicklungsstand des achtzehnten, neunzehnten Jahrhunderts auf dem Planeten ERDE erreicht hatte, und sie hatten so was wie eine Glühbirne erfunden, indem sie für die Glühfäden Fasern des extrem vielseitig anwendbaren See-Bambus benutzten. Die ‚Birnen’ waren kostspielig und schwierig zu produzieren, und die große Voltaische Säule, die bisher die einzige Stromquelle der Insel gewesen war, war schwerfällig und eigensinnig und gab nur träge und unzuverlässig Elektrizität ab, außerdem brach sie beständig zusammen. Nun aber - nach wieviel Jahren Arbeit? Fünf? Zehn? - erglommen die Glühbirnen der Insel durch die Energie aus einer neuen, unerschöpflichen Quelle aus dem Meer: Warmes Oberflächenwasser wurde zu Dampf konvertiert, der Dampf trieb den Turbinengenerator an, aus dem Generator floß der Strom und brachte die Lampen auf Sorve zum Leuchten.
    Die Gillies waren bereit gewesen, den Menschen auf der anderen Inselhälfte einen Teil des Stroms abzugeben, im Gegengeschäft: Sweyner sollte ihnen dafür Glühbirnen liefern, Dann

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