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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Leben unentwegt Schläge versetzt, immer wieder, und jedesmal müssen wir uns wieder aufrichten und weitermachen. Wir sollten uns die Wasserblüte zum Vorbild nehmen: Flexibel allen Verletzungen ausweichend, völlig resistent, fähig, allen Schicksalsschlägen zu widerstehen. Leider aber sind wir nicht so widerstandsfähig wie Wasserblumen, nicht wahr, Father?«
    »Ich würde sagen, du bist es, Doktor!«
    »Ach, wirklich?«
    »Man schätzt dich wirklich, weißt du das nicht? Jeder, mit dem ich gesprochen habe, äußerte sich voll des Lobes über deine Geduld, deine Toleranz, dein Wissen und deine Charakterstärke. Die Menschen sagen mir, du bist eine der stabilsten, stärksten und geschmeidigsten Personen der Gemeinschaft. Besonders was deine Charakterstärke angeht.«
    Das klang wie die Beschreibung eines völlig Fremden, der weit weniger starr und unbeugsam war als Valben Lawler. Er lachte glucksend. »Äußerlich erwecke ich vielleicht diesen Eindruck. Das könnte sein. Aber wie falsch das alles ist.«
    »Ich war stets davon überzeugt, daß eine Person das ist, als was sie anderen erscheint«, erklärte der Priester. »Was einer von sich selber denkt und hält, das ist ungenau und absolut irrelevant. Der wahre Wert einer Person läßt sich nur an der Wertschätzung durch andere wirklich bemessen.«
    Lawler warf dem Mann einen verblüfften Blick zu. Aber dessen schmales Asketengesicht sah vollkommen ernst und fest aus.
    »Und das ist es, woran du glaubst?« fragte Lawler und merkte, daß seine Stimme etwas gereizt klang. »Sowas Absurdes hab ich schon seit langem nicht mehr gehört. Aber natürlich, nein, nein, du spielst nur so ein bißchen mit mir herum, ja? Solche Spielchen spielt ihr doch gern.«
    Der Geistliche gab darauf keine Antwort. Dann schwiegen sie beide im kühlen Frühsonnenschein. Lawler starrte in die weite Leere hinaus, bis sich sein Blick verlor, und er nur noch ein großes tanzendes Farbengemisch sah, ein Ballet der Wasserblüten.
    Nach ein paar Sekunden schaute er genauer hin, was sich da draußen abspielte.
    »Ich hege die Vermutung, daß nicht einmal die Wasserblüten völlig unverletzbar sind, wie?« sagte er und streckte den Arm hinaus. Das Maul eines riesenhaften Unterwassertieres war am jenseitigen Rand des Meeresblütenfeldes aufgetaucht und zog nun dicht unter der Oberfläche zwischen ihnen dahin, ein gewaltiger dunkler Schlund, in dem die farbigen Blütenköpfe dutzendweise verschwanden. »Man kann so flexibel sein, wie nur möglich, aber es kommt irgendwann immer was daher, macht dir einen Strich durch die Rechnung und frißt dich. Stimmt es nicht, Father Quillan?«
    Die Antwort des Priesters ging in einem plötzlichen heftigen Windstoß verloren.
    Wieder trat ein langes, recht unterkühltes Schweigen ein. In Lawlers Kopf hallten noch Quillans Worte nach: Eine Person ist stets das, als was sie anderen erscheint... Was einer so über sich selber denkt und von sich glaubt, ist ungenau und absolut irrelevant. Das war doch absoluter Unsinn, oder? Oder doch nicht? Nein, selbstverständlich war es Quatsch.
    Und dann hörte er seine eigene Stimme plötzlich und zu seiner völligen Verblüffung fragen: »Father Quillan, was hat dich eigentlich zu dem Entschluß gebracht, überhaupt nach Hydros zu kommen?«
    »Der Grund?«
    »Ja, der Grund. Das hier ist ein verdammt ungastlicher Planet, wenn man zufällig ein Mensch ist. Er ist nicht für uns geschaffen, und es gelingt uns hier nur so knapp, trotz der unwirtlichen Bedingungen zu leben, und sobald einer mal hier ist, kommt er nie wieder fort. Was veranlaßte dich dazu, dich hier freiwillig auf Lebenszeit zu verbannen?«
    Die Augen Quillans verloren auf merkwürdige Weise ihre Stumpfheit. Mit bemerkenswertem Feuer sagte er: »Ich bin gekommen, weil mich Hydros unwiderstehlich anzieht.«
    »Das ist keine befriedigende Antwort.«
    »Nun, dann...« Die Stimme des Priesters war auf einmal scharf geworden, als merke er, daß Lawler ihn bedrängte, etwas preiszugeben, das er lieber für sich behalten wollte. »Nehmen wir an, ich bin hierher gekommen, weil hier der Ort ist, an dem sich zuletzt der ganze Müll der Galaxis einfindet. Das hier ist doch eine Welt, die ausschließlich bevölkert ist von Aussteigern, Ausgestoßenen, den Überflüssigen und Unangepaßten aus dem Kosmos. Ist es nicht so?«
    »Aber keineswegs!«
    »Ihr alle seid Abkömmlinge von Kriminellen. In der übrigen Galaxis gibt es heute keine Kriminellen mehr. Auf den übrigen Welten

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