Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
Vom Netzwerk:
niederzulassen, kommt überhaupt nicht in Frage. Wenn Dag und Dann gern dort leben möchten, schön. Ich werde sie sogar höchstpersönlich im Gleiter rüberbringen. Aber es wird hier keine Abstimmungen geben - und es wird keine Abweichung vom Grundplan dieses Unternehmens geben. Ist das klar? Dann? Dag? Ist das klar, Doktor?«
    Delagard hatte die Fäuste geballt. Der Mann war wirklich ein Kämpfer.
    Henders sagte: »Wenn ich mich recht erinnere, warst schließlich du es, der uns in diese Scheiße überhaupt erst reingebracht hat, Nid. Das kam wohl auch aus deiner Seelengröße und Herzensgüte, ja?«
    »Halt mal den Rand, Dann!« sagte Lawler. »Ich muß nachdenken.«
    Er warf einen Blick zu der jungen Insel hinüber. Sie waren inzwischen so nahe herangekommen, daß er den gelblichen Schimmer in den Augen der Gillies sehen konnte. Sie schienen ihrer Arbeit nachzugehen, ohne sich im geringsten um die näherziehende Flottille der Menschenschiffe zu kümmern.
    Und plötzlich begriff Lawler, daß Delagard recht hatte und daß Henders und Tharp sich irrten. So glücklich er gewesen wäre, wenn die Reise hier und jetzt ein Ende hätte finden können, wußte er doch, daß es eine völlig absurde und nicht in Betracht kommende Idee war, daß sie sich hier niederlassen sollten. Die Insel war winzig, ein bloßer Splitter Holz in der See, der sich kaum über die Wellen erhob. Und selbst wenn die Gillies bereit sein sollten, sie aufzunehmen, war da einfach nicht ausreichend Platz für sie.
    Ruhig sagte er also. »Gut also, Nid. Ausnahmsweise gebe ich dir recht. Dieses Inselchen ist nicht der rechte Ort für uns.«
    »Fein, fein. Sehr gescheit von dir. Man kann sich doch wahrhaftig immer darauf verlassen, daß du den Standpunkt der Vernunft vertrittst, Doc, wie?« Dann legte Delagard die hohle Hand an den Mund und brüllte zu Pilya in der Takelung hinauf: »Scharf in den Wind! Verschwinden wir von hier!«
    »Wir hätten trotzdem abstimmen müssen«, brummte Dag Tharp mürrisch und rieb sich den Arm.
    »Das laß mal besser«, sagte Lawler zu ihm. »Das hier ist Delagards persönliche Party. Wir sind bloß seine Gäste.«

3
    VOM BEGINN DER FOLGENDEN Woche an schlug das Wetter von Grund auf um. Der nordwestliche Kurs Richtung Grayvard führte die Flottille immer mehr aus den tropischen Gewässern und der starken Sonne und den klarblauen Himmeln des immerwährenden Sommers heraus, die in diesen mittleren Breiten vorherrschten. Nun waren sie in gemäßigtere Breiten vorgedrungen, und die See war hier kühl, und dumpfkalte Nebeldünste stiegen von ihr auf, wenn die warmen Winde vom Äquator heraufbliesen. Mittags war der Dunst verschwunden, aber das weite Himmelsgewölbe war oft die ganze Zeit häufig von Flockengewölk oder gar einer trüben lastenden Wolkendecke überzogen. Nur eines blieb unverändert: Es regnete noch immer nicht. Das war schon seit der Abfahrt des kleinen Konvois von Sorve so; und allmählich bot dieses Ausbleiben Anlaß zur Besorgnis.
    Die See selbst zeigte hier ebenfalls ein anderes Gesicht. Die vertrauten Gewässer der Heimatsee, ihres Mare Nostrum, lagen nun weit hinter ihnen, und sie berühren die Gelbe See, die durch eine scharfe Demarkationslinie von den blauen Wassern im Osten abgegrenzt war. Ein dicker ekliger Schaumteppich von kotzgelben Mikro-Algen mit rötlichen Streifen darin, die aussahen wie koaguliertes Blut, bedeckte das Wasser bis zum Horizont.
    Es war häßliches Zeug, aber fruchtbar. Es wimmelte im Wasser von Leben, und die meisten Lebensformen waren ihnen neu und unbekannt. Gewichtige schwerfällige Fische von Manneslänge, mit breiten Köpfen, stumpfblauen Schuppen und schwarzen, blind wirkenden Augen schnüffelten um die Schiffe herum; sie sahen aus wie treibende Balken. Ab und zu tauchte mit bestürzender Schnelligkeit ein wunderschöner samtiger Seeleopard aus den Tiefen herauf und verschlang eins von diesen Tieren als Ganzes. An einem Nachmittag tauchte aus dem Nichts zwischen dem Flaggschiff und dem Bug von Bamber Cadrells Schiff ein untersetztes röhrenförmiges Ding auf, mindestens zwanzig Meter lang und mit Kiefern wie ein Beil, durchkreuzte wuchtig die Heckwellen des Flaggschiffs, hob sich hoch und schlug wild mit dem Kinn aufs Wasser, und nachdem das Monster weitergezogen war, trieben in den gelben Wogen überall Stücke von den breitköpfigen Blaufischen umher. Und dann tauchten kleinere dieser Beilköpfe herauf und begannen zu fressen. Es gab hier auch reichlich Speisefisch, die

Weitere Kostenlose Bücher