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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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in wirbelnden Zügen die Flottille umkreisten, wobei die scharfspitzigen Tentakeln wie Messer ins Wasser fuhren; doch sie hielten sich gemeinerweise immer von Kinversons Treibangeln fern.
    Ganze Armeen von Millionen kleiner vielbeiniger Geschöpfe mit glitzernden durchsichtigen Leibern fuhren wie Sensen durch den gelben Meeresschaum und schnitten breite Schneisen, die sich hinter ihnen sogleich wieder schlossen. Gharkid holte ein volles Netz von ihnen hoch - sie zappelten und warfen sich heftig gegen die Maschen, wohl von Panik im freien Tageslicht erfaßt, und versuchten zurück ins Meer zu gelangen - und als dann Dag Tharp (keineswegs in vollem Ernst) vorschlug, man solle doch mal herausfinden, ob sie nicht vielleicht gut schmeckten, dünstete Gharkid prompt eine Portion von dem Zeug in ihrem eignen pissegelben Meerwasser und verzehrte sie mit demonstrativer Ungerührtheit.
    »Gar nicht so übel«, sagte er. »Probiert doch mal.« Auch zwei Stunden danach schien er noch immer kregel und gesund zu sein. Also riskierten es auch andere. Darunter Lawler. Sie aßen das Getier mitsamt der Beine ganz und gar. Die kleinen Krustentiere waren knackig, schmeckten leicht süßlich und waren offenbar nahrhaft. Bei niemandem zeigten sich negative Reaktionen. Gharkid verbrachte den Tag an seinem Kran und zog die Beinlinge zu Tausenden in seinem Treibnetz herauf, und an diesem Abend feierten sie ein großes Fest.
    Aber andere Lebensformen des Gelben Meeres waren weniger befriedigend. Kriechfähige grüne Quallenfische, die zwar harmlos, aber eklig waren, krochen in großer Zahl irgendwie an Deck, wo sie in wenigen Minuten zu verwesen begannen. Man mußte sie alle wieder über Bord fegen, und das beanspruchte beinahe einen vollen Tag. In einem anderen Teil der See ragten die starren schwarzen Fruchttürme einer Riesenalge morgens sieben, acht Meter über die Wasserfläche und explodierten in der mittäglichen Wärme, wobei sie Tausende kleiner harter Körner gegen die Schiffe schleuderten, daß jedermann Deckung suchen mußte. Auch Hexenfische gab es hier. In Trupps von zehn, zwanzig Stück flogen die wurmählichen Dinger zischend und sausend so hundert Meter weit übers Wasser, und ihre scharfkantigen lederartigen Schwingen flatterten mit einer verzweifelten Zielstrebigkeit, bis sie wieder ins Wasser platschten. Manchmal zogen sie so nahe am Schiff vorbei, daß Lawler die scharfen roten Borstenkämme auf ihrem Rücken erkennen konnte, und dann fuhr er sich mit der Hand an die linke Wange, wo immer noch eine rauhe Stelle an seine persönliche Begegnung mit einem der Tiere gemahnte.
    »Wieso fliegen die so?« fragte er Kinverson. »Wollen sie etwas aus der Luft fangen?«
    »Nee, ist nicht so, daß was in der Luft ist«, sagte Kinverson. »Ist was im Wasser, das sie fangen will. Die sehen hinter sich ein großes Maul aufklappen und versuchen wegzukommen. Ist ‘ne ziemlich brauchbare Art der Flucht. Sonst gehen sie bloß in die Luft, wenn sie sich paaren. Die Weibchen fliegen voraus, und die  Männchen kommen hinter ihnen her. Und die Kerle, die am schnellsten und längsten fliegen, kriegen sie dann, die Weiber.«
    »Kein schlechtes Auswahlsystem. Sofern man Geschwindigkeit und Ausdauer heranzüchten will.«
    »Hoffen wir, daß wir das nicht aktuell miterleben müssen. Die scharfen Biester kommen zu Tausenden rauf. So daß wirklich die ganze Luft voll ist von ihnen. Und sie sind ganz und gar verrückt vor Geilheit.«
    Lawler deutete auf die Stelle auf seiner Wange. »Ich kann’s mir vorstellen. Letzte Woche hat mich eins ihrer Kleinen genau hier erwischt.«
    »Wie klein?« fragte Kinverson ohne besonderes Interesse.
    »So um die fünfzehn Zentimeter.«
    »Na, da haste ja Glück gehabt, daß es so klein war. Da draußen treiben sich ‘ne Menge wirklich gemeiner Dinger rum.«
    DU LEBST ZU SEHR in der Vergangenheit, hatte Pilya zu ihm gesagt. Doch wie sollte er denn nicht? Die Vergangenheit lebte in ihm. Nicht nur die ERDE, dieser ferne mythische Ort, sondern auch Sorve, ganz besonders Sorve, wo sein Fleisch und Blut, sein Geist und seine Seele entstanden waren. Die Vergangenheit stieg zu allen Zeiten immer wieder in ihm herauf. So auch jetzt, hier an der Reling, während er auf diese fremdartige Gelbe See hinausblickte.
    ER WAR ZEHN JAHRE alt, und sein Großvater hatte ihn zu sich in seinen Vaargh gerufen. Er hatte sich drei Jahre vorher aus der Doktorpraxis zurückgezogen und verbrachte seine Tage nun damit, über die Ufermauer zu

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