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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Lebens an die genaueste Unterwürfigkeit gewöhnt; der Gehorsam ist bei ihnen nicht Knechtschaft, er ist Regelmäßigkeit; sie sind in Erfüllung der an sie ergehenden Befehle eben so pünktlich, als ob jeder Befehl eine Pflicht wäre.
    Die aufgeklärten Köpfe in Deutschland streiten lebhaft mit einander um die Herrschaft im Gebiet der Speculation; hier leiden sie keinen Widerspruch; überlassen übrigens gern den Mächtigen der Erden alles Reelle im Leben. »Gleichwohl findet das von ihnen verschmähte Reelle seine Abnehmer, welche nachher Verwirrung und Zwang selbst in den Reiz der Einbildungskraft übertragen.« [Von den Censoren gestrichen.]
    Der Geist der Deutschen scheint mit ihrem Charakter in keiner Verbindung zu stehen; jener leidet keine Schranken, dieser unterwirft sich jedem Joche; jener ist unternehmend, dieser blöde; die Aufklärung des ersten giebt selten dem zweiten Kraft: und dieses erklärt sich gar leicht. Die Vermehrung unserer Kenntnisse in neueren Zeiten dient nur dazu, den Charakter zu schwächen, wenn er nicht durch die Gewohnheit der Geschäfte und die Ausübung des Willens gestärkt wird. Alles einsehen und begreifen, ist ein erheblicher Grund zur Ungewißheit; die Kraft zu handeln entwickelt sich nur in freien und mächtigen Gegenden, wo patriotische Empfindungen ihren Sitz in der Seele haben, wie das Blut in den Adern, und nur zugleich mit dem Leben erkalten. [Ich darf nicht erst dem Leser sagen, daß ich hier England im Sinne hatte; wenn aber nur die Namen nicht ausgeschrieben sind, macht sichs der größte Theil der Censoren, der aus aufgeklärten Männern besteht, zum Vergnügen, nicht zu verstehen. Nicht so die Polizei: sie besitzt eine wirklich auffallende Art von feindlichem Instinkt gegen alle liberale Ideen, unter welcher Form sie ihr aufstoßen mögen; in diesem Felde stöbert sie, wie die abgerichteten Spürhunde, alles auf, was in dem Gemüth der Franzosen ihre alte Liebe zur Aufklärung und zur Freiheit wieder rege machen könnte.]
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Drittes Capitel. Die Frauen.
    Natur und Geselligkeit sind für die Frauen eine große Schule, wo sie leiden lernen; und es darf, dünkt mich, nicht geläugnet werden, daß sie in unsern Tagen, in der Regel, besser sind, als die Männer. Zu einer Zeit, wo der Egoismus das allgemeine Uebel ist, müssen die Männer, im Besitz aller positiven Vortheile weniger Edelmuth, weniger Gefühl besitzen, als die Frauen. Diese hängen nur durch die Bande des Herzens mit dem Leben zusammen; und selbst, wenn sie sich auf Abwege verirren, sind diese Verirrungen eine Folge des Gefühls, das sie fortzieht. Ihre Persönlichkeit zählt immer zwei, während die des Mannes nur ihn zum Ziel hat. Man huldigt ihnen nur durch die Zuneigungen, die sie einflößen; die zuerst in ihnen entstanden, sind mehrentheils dargebrachte Opfer. Die schönste aller Tugenden, die Hingebung, ist ihr Genuß und ihre Bestimmung; es kann kein Glück für sie geben, das nicht der Wiederschein des Ruhms und des Wohls eines Andern wäre; mit einem Worte, außer sich leben, sey's durch die Ideen, sey's durch Empfindung, sey's vor allem durch die Moralität, ist, was der Seele ein Gewohnheitsgefühl von Größe und Erhabenheit giebt.
    In den Ländern, wo die Männer durch politische Einrichtungen berufen sind, alle kriegerische und bürgerliche Tugenden auszuüben, zu welchen die Vaterlandsliebe entflammt, nehmen sie die erste Stelle wieder ein, die ihnen gebührt; hier treten sie mit Glanz wieder in ihre Rechte als Herren der Welt: nur wo sie einigermaßen zur Unthätigkeit oder zur Knechtschaft verdammt sind, sinken sie desto tiefer herab, je höher sie sich zu erheben bestimmt waren. Die Bestimmung der Frauen hingegen bleibt immer dieselbe; sie wird ihnen einzig von ihrem Gemüthe vorgezeichnet, die politischen Umstände tragen nichts dazu bei. Wenn es den Männern an Geschick oder an den Mitteln fehlt, ihr Leben auf eine edle, würdige Art zu benutzen, so rächt sich die Natur an ihnen für die Gaben selbst, die sie ihnen ertheilte; die Thätigkeit ihres Körpers dienet bloß dazu, die Trägheit ihres Geistes auffallender zu machen; die Kraft ihrer Seele wird zur Rauheit; ihre Tage vergehen in gemeinen Uebungen und Vergnügungen; sie beschäftigen sich mit Pferden, mit der Jagd, mit Tischgelagen, lauter Sachen, die als Zerstreuungen Platz finden können, aber als Beschäftigungen, den Menschen zuletzt zum Vieh herabwürdigen. Während dessen bilden die Frauen

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