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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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rauhen Luft, als bestände die Nation blos aus Handelsleuten und Gelehrten; während alle Anstalten dahin abzielen und abzielen sollen, der Nation militärische Gewohnheiten mitzutheilen. Die Völker des Nordens, die der Strenge ihres Clima Trotz bieten, gelangen zu einer vorzüglichen Abhärtung gegen alle Gattungen physischer Uebel, wie dies der russische Soldat beweiset; wo aber das Clima nur halbstreng ist, wo es noch möglich wird, sich der herben Luft durch häusliche Vorkehrungen zu entziehen, da machen eben diese Vorkehrungen die Menschen desto empfindlicher gegen die physischen Leiden des Krieges.
    Die Oefen, das Bier, der Tabaksrauch umgeben den gemeinen Mann in Deutschland mit einer Art von schweren heißen Atmosphäre, aus welcher er nicht gern hervorgeht. Dieser Dunstkreis ist der Thätigkeit nachtheilig, die dem Krieger mindestens eben so nothwendig ist, als der Muth; Entschlüsse reifen dabei nur langsam; Muthlosigkeit tritt ein, weil eine für die meisten ziemlich dürftige Existenz eben nicht geschickt ist, Zutrauen auf das Glück einzuflößen; die Gewohnheit einer ruhigen, friedlichen Lebensart ist nicht die beste Vorbereitung auf die mannigfaltigen Zufälligkeiten des Lebens, so daß man sich lieber dem Tode unterwirft, der auf der geraden Straße uns entgegenkommt, als den Schicksalen eines Abenteurers.
    Die Abscheidung der Classen, in Deutschland weit schärfer gezeichnet, als sie es in Frankreich war, mußte den Soldatengeist im Bürger ersticken. Diese Abscheidung hat, an sich, nichts Beleidigendes; denn, ich wiederhole es, die Gutmüthigkeit scheint überall in Deutschland, selbst in dem Aristokratenstolz, durch, und die Verschiedenheit der Stände beschränkt sich auf einigen Vorrang bei Hofe, auf einige geschlossene Zirkel, welche zu wenig Vergnügen gewähren, um in denen, die sie entbehren müssen, Neid zu erregen; denn nichts ist empfindlich, in welcher Hinsicht es sey, wo die Gesellschaft und durch sie die Waffe des Lächerlichen, nur wenig Gewalt hat. Die Menschen können dem Gemüth nur durch Falschheit oder Spott wehe thun; und in einem Lande voller Ernst und Wahrheit giebt es immer Gerechtigkeit und Glück. Aber die Scheidewand, die in Deutschland den Adel von dem Bürgerstand trennte, hatte zur nothwendigen Folge, daß die Nation im Ganzen minder kriegerisch ward.
    Die Einbildungskraft, des kunstübenden und literarischen Deutschlands herrschende Eigenschaft, flößt Furcht vor der Gefahr ein, wenn man diese natürliche Bewegung nicht mit Hülfe der überwiegenden Meinung und des exaltierten Ehrgefühls bekämpft. In Frankreich war, schon ehedem, der Geschmack am Kriege allgemein; der gemeine Mann wagte gern sein Leben, um nur ein Mittel zu haben, es in Bewegung zu setzen, und an der Last desselben minder schwer zu tragen. Es ist eine große Frage, ob häusliche Neigungen, die Gewohnheit des Nachdenkens, ja die Sanftmuth des Gemüths selbst, nicht dahin führen, den Tod zu fürchten; wenn aber, wie in Deutschland, die ganze Kraft eines Staats auf seinem militärischen Geiste beruht, so wird die Untersuchung der Ursachen wichtig, die in der deutschen Nation diesen Geist geschwächt haben mögen.
    Gewöhnlich führen drei Hauptbeweggründe die Menschen in den Krieg: Liebe zum Vaterlande und zur Freiheit, Ruhmbegierde und religiöser Fanatismus. Es giebt keine große Vaterlandsliebe in einem seit mehreren Jahrhunderten getheilten Reiche, wo Deutsche gegen Deutsche zu Felde zogen, mehrentheils um einem Antriebe von aussen Folge zu leisten; der Ruhmbegierde mangelt es an Lebhaftigkeit, wo es an einem Mittelpunkt, an einer Hauptstadt, an Geselligkeit fehlt. Die Art von Unparteilichkeit, die ich den Luxus der Gerechtigkeit nennen möchte, und die den Deutschen characterisirt, macht ihn weit fähiger, sich für abstracte Ideen, als für das Interesse des Lebens zu entflammen. Ein deutscher General, der eine Schlacht verliert, ist sicherer, Nachsicht zu erhalten, als einer, der sie gewinnt, glänzendes Lob einzuernten; überhaupt ist, bei einem solchen Volke, zwischen glücklichen und unglücklichen Erfolgen der Unterschied nicht groß genug, um den Ehrgeiz lebhaft anzuspornen.
    Die Religion hat, in Deutschland, ihren Sitz im Innersten des Herzens; zugleich aber trägt sie gegenwärtig ein Gepräge der Träumerei und der Unabhängigkeit, welches ausschließlichen Empfindungen nicht den gehörigen Nachdruck beilegt. Dieses Einzelnstehen von Meinungen, Individuen und Staaten, der Macht des

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