Ueber Deutschland
schleicht er sich heimlich in die Stadt, und erhält von. Mephistopheles, mit dem er sich wieder ausgesöhnt, die Mittel Margarethen zu befreien.
Er dringt des Nachts in ihr Gefängniß, nachdem er sich die Schlüssel zu verschaffen gewußt, hört sie von weitem ein Lied singen, daß ihre Geisteszerrüttung zu erkennen giebt. Die Worte des Liedes sind pöbelhaft, und Margarethe war immer so rein und zartsinnig von Natur gewesen. Man stellt gewöhnlich die Wahnsinnigen als solche dar, die mit der Narrheit das Schickliche beibehalten wollen und können, als solche, die sich bloß dadurch von den andern unterscheiden, daß sie die angefangenen Sätze nicht vollenden, und den Faden der Gedanken zur Unzeit abbrechen. Das ist aber falsch, und nicht nach dem Leben gezeichnet. Die wahre Geisteszerrüttung zeigt sich gewöhnlich unter Formen, die der Ursache dieser Zustande völlig fremd sind; und die Lustigkeit der Unglücklichen zerreißt das Herz weit mehr als der Ausdruck ihrer Schmerzen.
Faust tritt in das Gefängniß. Margarethe glaubt, man hole sie ab zum Richtplatze.
Margarethe (sich auf dem Lager verbergend).
Weh! Weh! Sie kommen. Bittrer Tod!
Faust (leise).
Still! Still! ich komme, dich zu befreien.
Margarethe (sich vor ihn hinwälzend).
Bist du ein Mensch, so fühle meine Noth.
Faust.
Du wirst die Wachten aus dem Schlafe schreyen!
(Er faßt die Ketten, sie aufzuschließen.)
Margarethe (auf den Knieen).
Wer hat dir Henker diese Macht
Ueber mich gegeben!
Du holst mich schon um Mitternacht.
Erbarme dich und laß mich leben!
Ist's morgen früh nicht zeitig genung?
(sie steht auf.)
Bin ich doch noch so jung, so jung!
Und soll schon sterben!
Schön war ich auch, und das war mein Verderben.
Nah war der Freund, nun ist er weit,
Zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut.
Fasse mich nicht so gewaltsam an!
Schone mich! Was hab' ich dir gethan?
Laß mich nicht vergebens flehen,
Hab' ich dich doch mein Tage nicht gesehen!
Faust.
Werd' ich den Jammer überstehen!
Margarethe.
Ich bin nun ganz in deiner Macht.
Laß mich nur erst das Kind noch tränken.
Ich herzt' es diese ganze Nacht;
Sie nahmen mir's, um mich zu kränken
Und sagen nun, ich hätt' es umgebracht.
Und niemals werd' ich wieder froh.
Sie singen Lieder auf mich! Es ist bös von den Leuten!
Ein altes Mährchen endigt so,
Wer heißt sie's deuten?
Faust (wirft sich nieder).
Ein Liebender liegt dir zu Füßen,
Die Jammerknechtschaft aufzuschließen.
Margarethe (wirft sich zu ihm).
O laß uns knieen, die Heilgen anzurufen!
Sieh! unter diesen Stufen,
Unter der Schwelle
Siedet die Hölle!
Der Böse,
Mit furchtbarem Grimme,
Macht ein Getöse!
Faust (laut).
Gretchen! Gretchen!
Margarethe (aufmerksam).
Das war des Freundes Stimme!
(Sie springt auf. Die Ketten fallen ab.)
Wo ist er? ich hab' ihn rufen hören.
Ich bin frei! mir soll niemand wehren.
An seinen Hals will ich fliegen,
An seinem Busen liegen!
Er rief Gretchen! Er stand auf der Schwelle.
Mitten durchs Heulen und Klappern der Hölle.
Durch den grimmigen, teuflischen Hohn,
Erkannt' ich den süßen, den liebenden Ton.
Faust.
Ich bin's!
Margarethe.
Du bist's! O sag' es noch einmal!
(ihn fassend.)
Er ist's! Er ist's! Wohin ist alle Qual?
Wohin die Angst des Kerkers? der Ketten?
Du bist's! Kommst mich zu retten.
Ich bin gerettet! –
Schon ist die Straße wieder da,
Auf der ich dich zum erstenmale sah
Und der heitere Garten,
Wo ich und Marthe deiner warten.
Faust (fortstrebend).
Komm mit! Komm mit!
Margarethe.
O weile!
Weil' ich doch so gern wo du weilest.
(liebkosend.)
Faust.
Eile!
Wenn du nicht eilest,
Werden wir's theuer büßen müssen.
Margarethe.
Wie? du kannst nicht mehr küssen?
Mein Freund, so kurz von mir entfernt,
Und hast's Küssen verlernt?
Warum wird mir an deinem Halse so bang?
Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken,
Ein ganzer Himmel mich überdrang,
Und du mich küßtest als wolltest du mich ersticken;
Küsse mich!
Sonst küss' ich dich!
(Sie umfaßt ihn.)
O weh! deine Lippen sind kalt,
Sind stumm.
Wo ist dein Lieben
Geblieben?
Wer brachte mich drum?
(sie wendet sich von ihm.)
Faust.
Komm! Folge mir! Liebchen fasse Muth!
Ich herze dich mit tausendfacher Glut,
Nur folge mir! Ich bitte dich nur dieß!
Margarethe (zu ihm gewendet).
Und bist du's denn? Und bist du's auch gewiß.
Faust.
Ich bin's! Komm mit!
Margarethe.
Du machst die Fesseln los,
Nimmst wieder mich in deinen Schoos.
Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht scheust? –
Und weißt du denn, mein Freund, wen
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