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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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Dichter so bewundernswerth macht, schadet dem Erfolge seiner Stücke auf der Bühne. Diese Stücke, von vorzüglicher Schönheit, so lange man nur Lieder, Oden, religiöse und philosophische Sentenzen darin sucht, können dem Tadel nicht entgehen, sobald man sie als darzustellende Dramen beurtheilt. Ich will damit nicht gesagt haben, daß es Wernern an Talent für die Bühne fehle, daß er die theatralischen Wirkungen nicht besser inne habe, als die mehresten deutschen Schriftsteller; nur sollte man glauben, er wolle mit Hülfe der dramatischen Kunst ein mystisches System von Religion und Liebe fortpflanzen, und seine Tragödien sind das Mittel, dessen er sich bedient, nicht der Zweck, den er sich vorstellt.
    Die Weihe der Kraft, in dieser geheimen Absicht geschrieben, hat gleichwohl aus der Berlinischen Bühne den größten Erfolg gehabt. Die Reformation ist für die ganze Welt, und besonders für Deutschland, die Wiege derselben, von der höchsten Wichtigkeit. Luther, mit seinem kühnen, kaltheroischen Charakter, macht den tiefsten Eindruck, zumal in Ländern, wo das Denken die ganze Existenz ausmacht; kein Gegenstand war so geeignet, als dieser, die Aufmerksamkeit der Deutschen auf sich zu ziehn.
    Alles, was den Einfluß der neuen Meinungen auf die Gemüther schildert, ist in Werners Weihe der Kraft vorzüglich ausgedrückt. Das Stück hebt mit der Darstellung der Bergwerke von Sachsen, ohnweit Wittenberg, an, wo Luther seinen Wohnsitz hatte; der Gesang der Bergleute bemeistert sich der Einbildungskraft; der Endgedanke dieses Gesangs ist immer ein Aufruf an die äußere Erde, an die freie Luft, an die Sonne. Diese Männer aus der gemeinen Volksklasse sind schon von Luthers Lehre ergriffen, und unterhalten sich über ihn und die Reformation; in ihren finstern, unterirdischen Gängen beschäftigen sie sich mit der Freiheit des Gewissens, mit der Untersuchung der Wahrheit, mit dem neuen Tageslichte, welches durch die Nacht der Unwissenheit dringen soll.
    Im zweiten Act, öffnen die Abgeordneten des Churfürsten von Sachsen den Nonnen die Thür ihrer Klöster. Diese Scene, welche leicht hätte komisch ausfallen können, wird von Werner mit einer rührenden Feierlichkeit behandelt. Werner umfaßt mit seinem Gemüth alle christlichen Gottesdienste; er begreift die edle Einfalt des Protestantismus, weiß aber auch zu unterscheiden, wie streng und heilig die Gelübde am Fuße des Kreuzes sind. Die Aebtissin durchdringt in dem Augenblick, wo sie den Schleier ablegt, der ihre schwarzen Haare in der Jugend verhüllte, und jetzt ihr graues Haar im Alter bedeckt, ein eben so rührendes als natürliches Gefühl; Schauder ergreift sie; harmonische Verse, rein wie die klösterliche Abgeschiedenheit, drücken ihre Rührung aus.
    Unter diesen Klosterfrauen befindet sich die Jungfrau, die sich einst mit Luthern verbinden soll, und gegenwärtig, mehr als alle, dem Einflusse seiner neuen Lehre Widerstand leistet.
    Unter die Hauptschönheiten dieses Acts, muß man das Gemälde zählen, welches Werner von Carl dem Fünften entwirft, von ihm, der aus Sättigung der Herrschaft der Welt entsagte. Ein sächsischer Ritter in seinen Diensten schildert ihn mit folgenden Worten.
In seinem Riesenbusen wohnt kein Herz,
    Nicht tönt in ihm der Gottheit Anklang wieder, –
    Den Donnerton der Kraft vernimmt er nur,
    Doch kann er nicht durch Liebe ihn vergöttern.
    Ein Gott an Kraft, ein Teufel an Begier.  –
    Schon jeder sah in ihm den jungen Adler,
    Der stark und frech genug, den ganzen Erdball
    Zu fassen und zum Futter zu verschlingen.

    Diese wenigen Worte sind hinreichend, Carl den Fünften würdig anzudeuten. Uebrigens war es leichter, diesen großen Mann zu malen, als ihn redend einzuführen.
    Luther traut dem Versprechen des Kaisers, ohngeachtet hundert Jahre vorher, auf der Kirchenversammlung von Constanz, Johann Huß und Hieronymus von Prag, trotz des vom Kaiser Sigismund bewilligten freien Geleits, verbrannt worden waren. Kurz ehe er sich nach Worms auf den Reichstag begiebt, fühlt er seinen Muth einige Augenblicke sinken; Furcht und Niedergeschlagenheit bemächtigten sich seiner. Sein junger Famulus bringt ihm die Flöte, die er zu spielen pflegt, wenn er seine matten Geister wieder herstellen will; er nimmt sie; harmonische Töne geben seinem Herzen das Vertrauen zu Gott wieder, welches das Wunder der geistigen Existenz zu heißen verdient. Man versichert, dieser Moment bringe immer eine große Wirkung auf der Berliner Bühne hervor;

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