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Ueber Deutschland

Titel: Ueber Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Germaine de Staël
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saeclum in favilla.
(Orgelton.)
    Böser Geist.
Grimm fasst dich!
Die Posaune tönt!
Die Gräber beben!
Und dein Herz,
Aus Aschenruh'
Zu Flammenqualen
Wieder aufgeschaffen,
Bebt auf!
    Gretchen.
Wär' ich hier weg!
Mir ist als ob die Orgel mir
Den Athem versetzte,
Gesang mein Herz
Im Tiefsten löste.
    Chor.
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet adparebit,
Nil inultum remanebit.
    Gretchen.
Mir wird so eng'!
Die Mauer-Pfeiler
Befangen mich!
Das Gewölbe
Drängt mich! – Luft!
    Böser Geist.
Verbirg' dich! Sünd' und Schande
Bleibt nicht verborgen.
Luft? Licht?
Weh dir!
    Chor.
Quis sum miser tunc dicturus?
Quem patronum rogaturus?
Cum vix justus sit securus.
    Böser Geist.
Ihr Antlitz wenden
Verklärte von dir ab.
Die Hände dir zu reichen,
Schauert's den Reinen.
Weh!
    Chor.
Quid sum miser tunc dicturus? 
    Gretchen.
Nachbarin! Euer Fläschchen! –
(sie fällt in Ohnmacht)

    Welcher Auftritt! Die Unglückliche findet die Verzweiflung an eben der Stätte, wo sie Hoffnung und Trost suchte; die ganze Schaar der Gläubigen betet mit Zuversicht zu Gott; sie allein, die Unglückselige, muß im Tempel der Gottheit die Stimme der Hölle hören. Die strengen Worte des heiligen Gesangs werden von der unversöhnlichen Bosheit des bösen Geistes gegen sie erklärt und erläutert. Welche Verwirrung in ihrem Herzen! welche Last von Qualen auf diesem schwachen armen Kopf? und wie groß ist das Talent des Dichters, welcher mit solchen Farben und Zügen dem Auge der Einbildungskraft die Augenblicke vormalen kann, wo das Leben eine so zu sagen düstre Flamme in uns anfacht, und über unsre flüchtigen Tage den gräßlichen Wiederschein der ewigen Höllenstrafen verbreitet!
    ————————
    Mephistopheles fährt in der Walpurgisnacht mit Faust übers Harzgebirge nach dem Brocken auf den Hexentanz, um ihn von seinen Grillen zu zerstreuen. Hier entwickelt sich ein Auftritt, von dem es unmöglich ist, einen Begriff zu geben, obschon er eine Menge der Aufbewahrung werther Einfälle enthält; diese Hexennacht ist das wahre Saturnalienfest des Witzes. Der Gang des Stücks wird durch ein Intermezzo aufgehalten, und je greller die Situation ist, desto unmöglicher ist es, sich so ganz den Dichtungen des Genies zu unterwerfen, sobald sie das Interesse des Stücks so plötzlich unterbrechen. Aber mitten im Strudel von allem, was man nur denken und sagen kann, mitten unter den Bildern und Einfällen, die sich überwälzen, sich verwirren, und in die Abgründe zurückzustürzen scheinen, aus welchen die Vernunft sie zog, entwächst ein Umstand, der sich auf eine schaudernde Weise an die Hauptsituation anschließt. Durch den Zauber der Hexen tritt eine Menge Bilder aus der Nacht hervor. Mit einemmal rückt Faust dem Mephistopheles näher, und spricht zu ihm:

    Mephisto, siehst du dort
Ein blasses schönes Kind allein und ferne stehen?
Sie schiebt sich langsam nur vom Ort,
Sie scheint mit geschloßnen Füßen zu gehen.
Ich muß bekennen, daß mir däucht,
Daß sie dem guten Gretchen gleicht.
    Mephistopheles.
Laß das nur stehn. Dabei wird niemand wohl.
Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol.
Ihm zu begegnen, ist nicht gut,
Vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut,
Und er wird fast in Stein verkehrt;
Von der Meduse hast du ja gehört.
    Faust.
Fürwahr es sind die Augen einer Todten,
Die eine liebende Hand nicht schloß.
Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten,
Das ist der süße Leib, den ich genoß.
    Mephistopheles.
Das ist die Zauberei, du leicht verführter Thor!
Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor.
    Faust.
Welch' eine Wonne! welch' ein Leiden!
Ich kann von diesem Blick nicht scheiden.
Wie sonderbar muß diesen schönen Hals
Ein einfach rothes Schnürchen schmücken,
Nicht breiter als ein Messerrücken! 
    Mephistopheles.
Ganz recht! Ich seh' es ebenfalls. –
Nur immer diese Lust zum Wahn!
Komm dort das Hügelchen heran,
Hier ist's so luftig wie im Prater etc.
    ————————
    Faust erfährt, daß Margarethe ihr Kind ermordet hat, um der Schande zu entfliehen. Ihr Verbrechen ist an den Tag gekommen; sie sitzt im Gefängnisse, und soll morgen auf dem Blutgerüst büßen. Faust flucht wüthend dem Mephistopheles. Dieser bleibt kalt, wirft die Schuld auf Faust zurück, und erinnert ihn daran, daß er zuerst das Böse gewollt, ihn zu Hülfe gerufen, folglich alles auf seinen Wunsch und sein Geheiß geschehen sey. Ueber Faust als den Mörder von Margarethens Bruder war das Todesurtheil verhängt. Gleichwohl

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